| Urteil in Straßburg

Caster Semenya gewinnt vor Europäischem Gerichtshof

Seit Jahren kämpft Läuferin Caster Semenya gegen den Leichtathletik-Weltverband. Es geht um zu hohe Testosteronwerte und damit vermutliche Vorteile. Jetzt gab ihr ein Gericht Recht, da das Bundesgericht in Lausanne das letzte Urteil gegen Semenya nicht ausreichend begründete.
dpa/ps

Die zweimalige Olympiasiegerin Caster Semenya hat im Kampf gegen die Testosteron-Vorschriften des Leichtathletik-Weltverbandes einen Erfolg errungen. Die Läuferin aus Südafrika gewann ihre Berufung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Die Richter stellten am Dienstag in Straßburg mehrere Menschenrechtsverletzungen fest, die 32-Jährige sei diskriminiert worden. Zuvor hatte Semenya erfolglos vor dem Internationalen Sportgerichtshof Cas sowie dem Schweizer Bundesgericht geklagt.

Welche Auswirkungen das Urteil auf die Regeln im Sport hat, ist unklar. Es könnte aber den Cas zwingen, die Vorschriften zu überprüfen, wonach Semenya und andere intersexuelle Sportlerinnen ihren natürlich hohen Testosteronspiegel künstlich senken müssen, um an Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften teilnehmen zu können. Der Weltverband World Athletics hatte im November 2018 in bestimmten Disziplinen für die Teilnahme-Berechtigung in der Frauenklasse einen Testosteron-Grenzwert eingeführt. Dagegen hatte die dreimalige Weltmeisterin vergeblich beim Cas und dem Schweizer Bundesgericht geklagt.

Hätte besser geprüft werden müssen

Semenya hatte öffentlich gemacht, einen hohen natürlichen Testosteronspiegel zu haben, lehnte es aber ab, sich den neuen Regeln zu unterwerfen. Sie wollte sich keiner Behandlung unterziehen, um ihren natürlichen Hormonspiegel unter einen bestimmten Schwellenwert zu senken und so die 800 Meter laufen zu können. Der EGMR stellte nun fest, dass Semenya bei den Gerichtsverfahren in der Schweiz ein wirksamer Rechtsbehelf verweigert wurde. Sie habe glaubwürdig dargelegt, warum sie wegen ihres erhöhten Testosteronspiegels diskriminiert werde.

Für solche Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts und sexueller Merkmale brauche es "sehr gewichtige Gründe" als Rechtfertigung. Weil für Semenya so viel auf dem Spiel stand, hätte ihr Anliegen besser geprüft werden müssen, so die Richter. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Sitz im französischen Straßburg gehört zum Europarat und ist von der EU unabhängig. Europarat und Gerichtshof setzen sich für den Schutz der Menschenrechte in den 46 Mitgliedstaaten ein.

DLV-Vorstandsvorsitzender Idriss Gonschinska sagte: "Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Straßburg interpretieren wir derart, dass sich das zuletzt angerufene Bundesgericht in der Schweiz noch einmal ausdrücklich mit der Frage einer Diskriminierung wegen sexueller Eigenschaften und deren möglichen Rechtfertigung beschäftigen muss. Es wurde also ein Mangel der Begründung gerügt. Nachdem damit der Ausgang des Verfahrens weiter offen ist – die Regelung des Sports wurde nicht per se für unzulässig erklärt –, besteht aus unserer Sicht zum jetzigen Zeitpunkt kein Handlungsbedarf. Die weiteren Entwicklungen sind abzuwarten."

Weltverband hät an seiner Testosteron-Regel fest

Der Leichtathletik-Weltverband wird ungeachtet des Urteils des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zugunsten der Läuferin Caster Semenya seine Testosteron-Vorschriften zunächst nicht ändern, da sich die Richter bei ihrer Begründung nicht gegen den Weltverband richteten, sondern gegen eine mangelnde Urteils-Begründung des Schweizer Bundesgerichts kritisierten. World Athletics will vielmehr die Schweizer Regierung in der Entscheidung ermutigen, den Fall an die Große Kammer des EGMR zu verweisen, um "eine endgültige Entscheidung" zu treffen.

"In der Zwischenzeit bleiben die DSD-Bestimmungen, die vom Exekutivkomitee von World Athletics im März 2023 genehmigt wurden, in Kraft", hieß es in einer Stellungnahme am Dienstag. Der internationale Dachverband halte die geltenden Regeln "weiter für ein notwendiges, angemessenes und verhältnismäßiges Mittel zum Schutz des fairen Wettbewerbs in der Frauenkategorie".

Mit Material der Deutschen Presse-Agentur (dpa)

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