| Interview der Woche

Alina Reh: „Attacke bei Kilometer 16“

Zweiter Halbmarathon, erster Rekord: Alina Reh (SSV Ulm 1846) ist am Sonntag beim Einstein-Marathon in Ulm die 21,0975 Kilometer schneller gerannt als alle anderen deutschen U23-Läuferinnen vor ihr. In 1:11:21 Stunden war die 20-Jährige 21 Sekunden schneller als die Leverkusenerin Sonja Oberem (geborene Krolik) vor 22 Jahren. Im Interview spricht Alina Reh über das Rekordrennen, ihre Ziele für die kommenden Jahre auf der Bahn und warum sie mit Sicherheit im Laufe ihrer Karriere Marathon laufen wird.
pm/pr

Alina Reh, herzlichen Glückwunsch zu 1:11:21 Stunden und damit zur neuen deutschen U23-Bestleistung im Halbmarathon!

Alina Reh:

Vielen Dank.

War das Rennen explizit auf den Rekord ausgelegt?

Alina Reh:

Nein, aber ich wusste, wo er steht (lacht). In den regionalen Medien in Ulm war die Marke im Vorfeld ein Thema. Es ging darum, gut ins Rennen zu finden. Wenn ich mich gut fühle, sollte ich attackieren.

Wann kam das Kommando zur Attacke?

Alina Reh:

Bei Kilometer 16. Mein Trainer Jürgen-Austin Kerl hat gefragt, wie ich es mir geht. Da es gut lief, habe ich angegriffen.

Bei der Zwischenzeit nach 16,7 Kilometern lagen Sie noch knapp 25 Sekunden hinter Männersieger Efrem Tadese, im Ziel waren sie 20 Sekunden vor ihm. Ihre letzten fünf Kilometer müssen verdammt schnell gewesen sein …

Alina Reh:

… das waren sie auf jeden Fall. Eine genaue Zeit habe ich aber nicht. Aber insgesamt war die zweite Hälfte deutlich schneller als die erste. Bei Kilometer zehn hatten wir 34:12 Minuten. Bis dahin hat mich mein Trainer laufend begleitet und ist dann aufs Rad umgestiegen. Bis Kilometer 16 hat dann mein Trainingspartner Darko Tesic das Tempo gemacht. Dafür ein großes Dankeschön!

Knapp einen Kilometer vor dem Ziel haben Sie Efrem Tadese überholt. Wie haben Sie den Zieleinlauf am Ulmer Münster erlebt?

Alina Reh:

Es hat mir sehr geholfen, dass Efrem lange Zeit vor mir lief. So konnte ich mich auf den letzten Kilometern an ihn heransaugen. Wenn man merkt, dass man immer näherkommt, gibt das natürlich großen Auftrieb. Dass ich aber als Erste ins Ziel laufe, damit habe ich absolut nicht gerechnet. Insgesamt war die Stimmung an der Stecke einfach toll. Man sieht viele bekannte Gesichter, wird laut angefeuert, speziell wenn es Richtung Ziel geht. Obwohl ich extrem konzentriert war und zeitweise im 'Tunnel' gelaufen bin, habe ich das mitbekommen.

Das Rennen war nach dem Sieg 2016 in Ulm erst Ihr zweiter Halbmarathon. Liebäugeln Sie denn schon mit der Marathon-Premiere?

Alina Reh:

Nein, absolut nicht. Ein Halbmarathon ist mit mehr als 70 Minuten schon ganz schön lang (lacht). Nach dem Lauf habe ich meine Beine extrem gespürt, das zeigt, wie hoch die muskuläre Belastung war. Für einen Marathon müsste ich meine Umfänge noch deutlich steigern. Darum spielt der Marathon gar keine Rolle. Momentan gibt’s andere Prioritäten im Training und im Wettkampf.

Welche sind das und auf welchen Distanzen wird man Sie im kommenden Jahr sehen?

Alina Reh:

Ich denke, dass ich zweigleisig fahren werde. Neben den 5.000 Metern möchte ich auch Rennen über 10.000 Meter bestreiten. Im Mai lief ja meine Premiere aufgrund der Verletzung nicht wie gewünscht. Ich denke, dass mir die 25 Bahnrunden liegen, da ich einfach ein gutes Ausdauerniveau mitbringe und mir auch im Training die Tempodauerläufe Spaß machen. Auf der anderen Seite darf ich die Schnelligkeit nicht vernachlässigen. Ziel ist es, über 1.500 Meter Richtung 4:10 Minuten oder sogar darunter zu laufen. Damit lässt es sich für die 5.000 Meter aufbauen.

Apropos 5.000 Meter: Auf dieser Strecke haben Sie sich 2017 deutlich auf 15:10,01 Minuten verbessert. Ist die erste Zeit unter 15 Minuten schon für kommendes Jahr ein Thema?

Alina Reh:

Nach den guten Leistungen in diesem Sommer mittlerweile schon. Das Ziel ist es, jede Runde eine Sekunde schneller zu laufen. Gelingt das, wäre ich rechnerisch bei 14:58 Minuten angekommen. Ich denke, das ist für 2018 durchaus realistisch.

Für solche Weltklassezeiten muss das Training hundertprozentig passen. Wie koordinieren Sie als Einzelhandelskauffrau Ihre täglichen Einheiten?

Alina Reh:

Die Arbeit im Einzelhandel macht mir unheimlich viel Spaß. Ich arbeite etwa 30 Stunden pro Woche im Supermarkt meiner Mutter. Mein großer Vorteil ist, dass ich sehr viele Freiräume bei der Arbeitszeit besitze, dafür bin ich sehr dankbar. Meistens arbeite ich ab der Öffnung des Marktes um 7:00 Uhr morgens bis zum Mittag. So habe ich am Nachmittag Zeit fürs Training.

Noch einmal zurück zum Thema Marathon: Auch wenn momentan die 42,195 Kilometer für Sie noch keine Rolle spielen. Wird man Sie irgendwann auf der klassischen Distanz sehen?

Alina Reh:

Bestimmt werde ich im Laufe meiner Karriere Marathon laufen. Es ist was ganz anderes, mit Tausenden anderen an der Startlinie zu stehen als mit 15 oder 20 Konkurrentinnen auf der Bahn. Alle betreiben beim Marathon denselben Sport – trotz der unterschiedlichen Ansprüche und Leistungsgedanken. Das macht die Strecke einfach faszinierend. Wenn es so weit ist, werde ich beim Marathon sicher meine Freude haben.

Mehr:

<link news:60086>Alina Reh rennt deutsche U23-Bestleistung im Halbmarathon

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