| Interview der Woche

Bernhard Seifert: „Da können noch ein paar Meterchen draufkommen!“

Bernhard Seifert hat am Samstag bei den Landesmeisterschaften von Berlin und Brandenburg mit 85,19 Metern deutlich die WM-Norm für Doha (Katar) überboten. Der Speerwerfer vom SC Potsdam sortierte sich damit zunächst auf Rang zwei der deutschen Bestenliste ein. Warum er von dieser Bestmarke wenig überrascht war, wo er sich selbst in der Reihe der deutschen Weltklasse-Speerwerfer sieht und warum sein Weg zuletzt (noch) nicht so steil bergauf ging wie der seines einstigen Trainingspartners Thomas Röhler? Das und mehr verriet uns der 26-Jährige anschließend im Interview.
Silke Bernhart

Bernhard Seifert – ein 84- und zwei 85-Meter-Würfe: Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem starken Wettkampf in Brandenburg an der Havel! Sie selbst haben ihn auf Instagram als „guten Einstieg in eine lange Saison“ bezeichnet. War da nicht auch ein bisschen Understatement dabei?

Bernhard Seifert:
Naja, ich war auf jeden Fall zufrieden, es war ja eine neue Bestleistung. Aber ich habe es bewusst auch ein wenig klein gehalten, weil die Trainingsleistungen schon angedeutet hatten, wo es hingehen kann. Ich weiß, was in mir steckt, und dass da auch noch ein paar Meterchen draufkommen können! Daher war es eben ein guter Start in eine lange Saison.

Die „lange Saison“ soll vermutlich auch für Sie am besten bei der WM in Doha enden…?

Bernhard Seifert:
Das ist das Hauptziel! Dadurch, dass Johannes Vetter Weltmeister ist, haben wir einen Startplatz mehr. In Deutschland sind wir aktuell fünf Speerwerfer, die in einem hohen Bereich werfen können, da gilt es jetzt, sich zu beweisen und am Ende durchzusetzen.

Sie konnten Ihren Marktwert ja unter anderem schon im Trainingslager in Potchefstroom testen, wo alle deutschen Top-Speerwerfer Ende März und Anfang April gemeinsam trainiert haben. Gut fürs Selbstvertrauen?

Bernhard Seifert:
Ja, dort lief es schon echt gut, ähnlich wie im letzten Jahr. Ich habe gute Erfahrungen mitgenommen und es ist immer schön, mit den anderen Jungs unterwegs zu sein. Da fühlt man sich auch nicht wie in der zweiten Reihe, sondern als vollwertiges Team-Mitglied. Klar misst man sich dort, man will den anderen zeigen, wie gut man drauf ist, und auch ein bisschen sticheln…

Wo sehen Sie sich denn selbst in der Reihe der deutschen Speerwerfer mit Olympiasieger Thomas Röhler, Weltmeister Johannes Vetter, Vize-Europameister Andreas Hofmann und 88-Meter-Werfer Julian Weber?

Bernhard Seifert:
Eigentlich wollte ich schon im letzten Jahr den Anschluss zu den anderen schaffen. Da habe ich dann eine Schambeinentzündung bekommen, sodass ich die Saison beenden musste. Daher ist in diesem Jahr ein Hauptziel, wieder Anschluss zu finden. Ich denke, wenn Thomas, Johannes und Andreas an die Leistungen anknüpfen können, die sie in den letzten Jahren gezeigt haben, dann ist ihnen das Ticket für Doha relativ sicher. Johannes hat als Titelverteidiger ja auch eine Wild Card. Julian und ich würden uns dann um das vierte Ticket streiten. Diesen Kampf sehe ich als relativ offen an und als Motivation, noch ein paar Prozente mehr rauszukitzeln. Ich weiß, was ich trainiert habe, ich fühle mich gut, und wenn ich gesund bleibe, dann bin ich sehr zuversichtlich, dass es bei mir auch noch wesentlich weiter gehen kann.

Das Bemerkenswerte im deutschen Speerwurf ist ja auch, dass jeder Topathlet seinen eigenen Weg gefunden hat weit zu werfen – obwohl alle unterschiedliche Typen sind. Wo liegt Ihre große Stärke?

Bernhard Seifert:
Ich kann das, was ich habe, beziehungsweise das, was ich mitbringe, gut auf das Gerät übertragen. Da geht relativ wenig Kraft oder Schnelligkeit verloren. Ich würde nicht sagen, dass ich eine perfekte Technik habe, da kann man immer noch viel dran feilen. Aber was das Treffen des Speeres und den Verkantungswinkel betrifft, zähle ich sicherlich mit Thomas zusammen zu den besten Athleten. Andreas und Johannes kommen mehr über die Kraft, Thomas auch viel über die Geschwindigkeit. Das ist wirklich das Interessante am Speerwurf, dass es da nicht den idealen Athleten gibt, sondern viele verschiedene Typen, die auf unterschiedlichen Wegen weit werfen.

Werfen wir einen Blick zurück: Bereits 2011 findet man Sie als 18-Jährigen auf Rang sechs der deutschen Männer-Bestenliste, mit 78,55 Metern einen Platz vor Thomas Röhler, der zwei Jahre älter ist. Gemeinsam standen Sie für den DLV und den LC Jena 2013 auf dem Podium der U23-EM. Der weitere Weg von Thomas Röhler ist bekannt – wie ging es für Sie ab diesem Zeitpunkt weiter?

Bernhard Seifert:
Ich bin 2014 mit meinem Trainer Burkhard Looks nach Potsdam gewechselt und habe in Brandenburg in der Sportfördergruppe der Polizei angefangen. Es war ein Punkt, an dem ich mich entscheiden musste, wie es weitergeht. Ich war mit der Schule fertig und hatte schon ein Praktikum bei der Polizei absolviert, da hat sich das angeboten. Für mich war es der richtige Weg: Ich wollte ungern den Trainer wechseln, Burkhard Looks kannte mich schon lange, und ich wollte auch beruflich Sicherheit haben, wenn es mit dem Sport nicht klappt. Gerade schreibe ich meine Bachelor-Arbeit, am 1. Oktober werde ich zum Polizeikommissar ernannt.

Beruflich lief also alles nach Plan. Haben sich auch sportlich Ihre Träume erfüllt?

Bernhard Seifert:
Den Wechsel habe ich bis heute nicht bereut. Auch wenn der Zusammenhalt und die Zusammenarbeit mit Thomas in Jena cool war. Wir haben uns super ergänzt und uns super verstanden. Leider hatte ich sportlich in den vergangenen Jahren ziemlich viel Pech. Immer wieder kamen kleinere Verletzungen dazwischen. 2014 war es der Ellbogen, 2015 die Adduktoren, 2016 die Schulter – immer Kleinigkeiten, die mich aber immer rausgebracht haben aus der Saison und wegen denen ich nicht hundertprozentig performen konnte.

Das ist Ihnen ja jetzt gleich zum Saison-Auftakt gelungen. Wie geht es weiter?

Bernhard Seifert:
Jetzt kommt ein ziemlich großer Wettkampf-Block. Am Freitag werfen Thomas und ich in Schönebeck, am Sonntag in Offenburg. Danach kommen Rehlingen, Riga… Ein paar internationale Wettkämpfe.

Wie gehen Sie diese Meetings an?

Bernhard Seifert:
Locker bleiben und gucken, was kommt! Ich gehe nicht so da ran, dass ich jetzt unbedingt sofort noch mal weiter werfen muss. Diese Lockerheit hat in den vergangenen Jahren vielleicht ein bisschen gefehlt, das hat mich dann die noch weiteren Würfe gekostet. Daher arbeite ich seit drei Jahren auch mit einer Mentaltrainerin zusammen. Ich fühle mich gut und ich bin gut drauf – ich nehme es, wie es kommt, und lasse mich überraschen.

Mehr:

<link news:69458>85,19 Meter: Kampfansage von Bernhard Seifert

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