| Interview der Woche

Christina Schwanitz: "Versuche, die Favoritenrolle anzunehmen"

Die Saison hätte für die Vize-Weltmeisterin und Europameisterin im Kugelstoßen Christina Schwanitz (LV 90 Erzgebirge) bisher nicht besser laufen können. Schon vor den Weltmeisterschaften in Peking (China; 22. bis 30. August) hat sie den Jackpot in der Diamond League gewonnen. Im Interview spricht sie über den Umgang mit der Favoritenrolle in Peking, das Beinahe-Aus ihrer Karriere, ihren Trainer Sven Lang und ihre WM-Ziele.
Peter Schmitt

Christina Schwanitz, wie ist die Vorbereitung auf die WM in Peking bisher für Sie gelaufen?

Christina Schwanitz:

Es ist prima, dass wir die letzten Tage vor dem Start bei der WM hierher nach Jeju gefahren sind. Da ist der Rummel nicht so groß. Nachdem ich in den letzten Wochen gegen Migräne, einen verdorbenen Magen und eine Nackenblockade gekämpft habe, geht es mir momentan körperlich ausgezeichnet und ich komme ein bisschen zur Ruhe. Auf der Insel Jeju habe ich sogar Kienbaum-Feeling. Die Trainingsbedingungen, das Essen und das Hotel sind ideal.

Sie reisen als Weltjahres-Beste mit 20,77 Meter nach Peking. Wie kommen Sie mit der Favoritenrolle klar?

Christina Schwanitz:

Ganz einfach: Ich versuche, diese Rolle anzunehmen. Oft ist es für mich schwer, die richtigen Worte zu finden, denn der Druck steigt natürlich für mich, aber das bringt der Erfolg mit sich. Ich werde ganz einfach versuchen, alles positiv umzusetzen, damit erst gar keine negative Stresssituation für mich entsteht.

Welche Rolle spielt in dieser Situation kurz vor dem Start die Psychologie?

Christina Schwanitz:

Ich hatte sowohl in Kienbaum als auch hier in Jeju gute Gespräche mit unserer Psychologin Professor Dr. Heike Kugler. Das tut sehr gut, denn Heike findet immer die richtigen Worte und das gibt mir Vertrauen und Sicherheit.

Wie sehen Ihre Zielsetzung und Strategie für die Weltmeisterschaften aus?

Christina Schwanitz:

Ich möchte die Qualifikation gerne im ersten Stoß schaffen. Dann will ich dem Publikum im "Vogelnest" einen schönen, spannenden Zweikampf mit der Chinesin Lijiao Gong bieten.

Was macht Ihr Trainer Sven Lang, um Sie optimal auf den Wettkampf vorzubereiten?

Christina Schwanitz:

Unser Trainer hat Mega-Stress. Er versucht, den Druck von allen Seiten wegzunehmen. Wichtig ist die Konzentration, denn wir bereiten uns nicht auf Landesmeisterschaften vor, sondern auf die WM. Dementsprechend läuft das Training sehr fokussiert und diszipliniert ab. Zuletzt gab es jede Menge Medienanfragen, die ich nicht alle bewältigen konnte. Natürlich macht es mich stolz, dass ich jetzt bei den Medien zum Thema geworden bin, aber es wurde vor Jeju einfach zu viel. Die Anfragen waren enorm. Auch wenn ich nicht alles bewältigen kann, freue mich mich, dass ich meine Sportart verkaufen kann.

Vor Ihrer Knie-Operation sah es für weitere sportliche Höchstleistungen gar nicht gut aus. Jetzt erleben Sie die beste Saison ihrer Karriere. Wie beurteilen Sie persönlich Ihre Entwicklung?

Christina Schwanitz:

Durch die OP konnte ich vom 25. September letzten Jahres bis Ende Januar nicht trainieren. Und dann bin ich mit meinem Mann zwei Wochen in die Dominikanische Republik gefahren. Ich wollte einfach auch mal das Leben und den Moment genießen und den Kopf frei bekommen. Ich glaube, dass mein Körper sich bedankt hat für die lange Regenerationszeit, die mir mein Arzt Dr. Volker Steger verordnet hat. Dabei drohte zwischendurch sogar das Karriereende. Ich hatte Angst, dass ich nie mehr Kugelstoßen kann. Da gehst du als Leistungssportler durch die Hölle, aber Gott sein Dank hat sich alles zum Guten gewendet.

Und der Einstieg nach der Verletzungspause verlief hervorragend....

Christine Schwanitz:

Im Trainingslager im März in Südafrika habe ich mich noch über 19,30 Meter geärgert, am Ende hatte ich 19,75 Meter geschafft. Im Trainingslager in Südtirol in Latsch habe ich außer in einer Einheit immer über 20 Meter gestoßen. Und bei meinen ersten Wettkämpfen habe ich am 17. Mai in Shanghai gleich 19,94 Meter geschafft und drei Tage später in Peking meine Bestleistung von 20,77 Meter abgeliefert und es ging konstant gut weiter.

Wie würden Sie Ihren Erfolgstrainer Sven Lang charakterisieren?

Christina Schwanitz:

Für mich ist Sven Lang einer der erfolgreichsten Trainer im Wurfbereich, nicht nur national, sondern weltweit. Er hat das Auge und die Fähigkeit sich vorzustellen, wie die Technik zu dem Athleten oder der Athletin passt. Dabei setzt er immer auf individuelle Lösungen. David Storl und ich haben daher nicht dasselbe Technik-Programm, denn David ist besonders schnell und ich profitiere sehr von meiner Kraft. Unser Trainer findet immer die passenden Worte und weiß, wann er von Zuckerbrot auf Peitsche umstellen muss, aber ohne Disziplin geht es im Leistungssport nicht. Bei den Wettkämpfen gibt er mir einfach Sicherheit und letztlich ist auch bei vielen Freiräumen eines immer klar: Der Trainer ist der Chef.

Wie motivieren Sie sich selbst?

Christina Schwanitz:

Ich möchte mich immer selbst besiegen. Das heißt: Ich möchte immer besser sein, als ich es mir vornehme. Mein Ziel ist es, möglichst zu gewinnen. Und dabei stelle ich mir jedesmal die Frage: Wieviel mehr kann ich aus meinem Körper noch herausholen?

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