| Mit 103 Jahren verstorben

DLV trauert um Gretel Bergmann

Hochsprung-Legende Gretel Bergmann ist im Alter von 103 Jahren am Dienstag in Queens/New York (USA) gestorben. Dies bestätigte ihre Nichte Doris Bergmann gegenüber der New York Times. Als Jüdin durfte Gretel Bergmann 1936 nicht an den Olympischen Spielen in Berlin teilnehmen.
SID / ps

"Das ist eine ganz traurige Nachricht. Ich habe Gretel Bergmann noch im April zu ihrem 103. Geburtstag in New York besucht, und sie war wie schon in den Vorjahren bestens gelaunt. Sie wird mir als außergewöhnliche Persönlichkeit und Sportlerin in Erinnerung bleiben", sagte die Vize-Präsidentin des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), Dagmar Freitag, am Abend in einer ersten Stellungnahme.  

„Mit großer Betroffenheit habe ich die Nachricht vom Tod von Gretel Bergmann erfahren", sagte DLV-Präsident Dr. Clemens Prokop. "Sie weist eine außergewöhnliche Biografie auf, wobei ihr in Deutschland im dritten Reich großes Unrecht widerfahren ist. Es war für mich eine große Ehre und ein bewegendes Ereignis, dass ich ihr vor drei Jahren persönlich in New York zu ihrem 100. Geburtstag gratulieren durfte. Durch ihr Leben ist sie ein Vorbild für alle jungen Sportler geworden. Im Rahmen der EM 2018 in Berlin werden wir ihr besonders gedenken.“

Olympia 1936: Erst ein- und dann wieder ausgeladen

Margaret Bergmann Lambert, wie sie seit der Hochzeit mit ihrem Mann Bruno hieß, lebte seit 1937 in den USA. In den Jahren vor ihrer Emigration war die gebürtige Laupheimerin vom Nazi-Regime durch den sogenannten "Arierparagraphen" erst schikaniert und dann unter Druck gesetzt worden.

Bergmann sollte aus ihrem Exil in Großbritannien ins Deutsche Reich zurückkehren und bei den Sommerspielen 1936 für ihr Heimatland starten, wurde am Ende aber doch nicht berücksichtigt – offiziell aus Leistungsgründen.

"Schachfigur in Hitlers politischem Täuschungsmanöver"

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte die Gleichbehandlung der jüdischen Sportler mit allen anderen Athleten gefordert. Die USA drohten bereits mit Boykott. Bergmann wurde deshalb von den Nationalsozialisten als Aushängeschild missbraucht, um dem Ausland "Normalität" zu suggerieren. "So wurde ich zum Lockvogel, zur Schachfigur in Hitlers politischem Täuschungsmanöver", schrieb Bergmann in ihren Erinnerungen mit dem Titel "Ich war die große jüdische Hoffnung", die 2003 in Deutschland erschienen.

Einen Tag, nachdem das Schiff mit den US-Athleten New York in Richtung Deutsches Reich verlassen hatte, schickte der Deutsche Reichsbund für Leibesübungen einen Brief mit der Ausladung von den Spielen an Bergmann. Ihr Entschluss zur Emigration reifte, und sie schwor sich, nie wieder deutschen Boden zu betreten. 1999 brach sie ihr Versprechen und nahm in Frankfurt/Main den Georg-von-Opel-Preis entgegen. 2003 reiste Bergmann in ihre Heimat Laupheim.

Gretel Bergmann hatte im Olympia-Jahr 1936 mit 1,60 Meter den deutschen Rekord eingestellt, den der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) im Jahr 2009 spät offiziell anerkannte. Nach ihrer Auswanderung in die USA gewann sie dort 1937 und 1938 die nationalen Meistertitel im Hochsprung, bevor der Krieg ausbrach und sie ihre sportliche Karriere beendete. Im Alter von 98 Jahren wurde Gretel Bergmann 2012 in die "Hall of Fame" des deutschen Sports aufgenommen.

Mit Material des Sport-Informations-Dienstes (SID)

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