| Nachruf von Theo Rous

Gustav Schwenk mit 91 Jahren gestorben

Wie erst jetzt bekannt wurde, ist der bekannte Sportjournalist Gustav Schwenk am vergangenen Sonntag im Alter von 91 Jahren gestorben. Auf ausdrücklichen Wunsch der Familie fand die Beerdigung am Freitag im engsten Familienkreis in Düsseldorf statt. Zum Tod von Gustav Schwenk hat DLV-Ehrenpräsident Theo Rous einen Nachruf geschrieben.
Theo Rous

Der Begriff vom journalistischen Urgestein mag ein Klischee sein. Bei Gustav Schenk erscheint es mir, als sei er eigens für ihn erfunden. Beim Sport-Informationsdienst (sid) fing er 1947 an, berichtete nicht nur über Leichtathletik, auch über Handball, Ringen und Gewichtheben. Ab 1957 arbeitete er als freier Journalist. Die Leichtathletik war nicht nur sein journalistischer Lebensmittelpunkt. Ihr gehörte, wie Präsident Clemens Prokop es bei der Verleihung des Medienpreises des DLV ausdrückte, „sein Herzblut“.

Ehrungen gab es nicht nur durch den DLV. Ein Höhepunkt war, neben der Verleihung des „Plaque de Merit“ und des „World Athletics Journalist“ durch die IAAF, die Auszeichnung des Weltverbandes der Sportjournalisten (AIPS) für seine langjährige Teilnahme an Olympischen Spielen: Seit 1952 hat er 15 Olympische Sommerspiele journalistisch begleitet. Bei 300 Weltrekorden war er Augenzeuge. In Deutschland war es seinen Kollegen eine Sondermeldung wert, wenn Gustav Schwenk bei Deutschen Meisterschaften aller Art, von den Crossläufen bis den Jugendmeisterschaften, nicht anwesend war.

Ein legendäres Leichtathletik-Archiv

Gustavs Schwenks Archiv muss legendär sein. Was immer er sagte und schrieb, war belegbar.

Es wurde nur noch übertroffen durch sein Gedächtnis: Das war die Grundlage für seine, auch im Detail, fachlich fundierte Berichterstattung. Michael Gernandt schrieb zu seinem 90. Geburtstag: „Gustav Schwenk schrieb, was Sache war, schnörkellos, faktenreich.“ Und das Schreiben hielt ihn jung: „Schreiben ist mein Gehirnjogging.“

Als ich das erste Mal von ihm in der Presse erwähnt wurde, war das für mich wie ein Ritterschlag. Bei den Jugendmeisterschaften1966 in Ulm wurde die von mir trainierte 4x100-Meter-Staffel, mit vier durchschnittlichen Sprintern besetzt, Deutscher Jugendmeister. Eigentlich meinte er nicht mich, sondern die Nationalstaffel der Männer, die im Rahmen der Jugendmeisterschaften ihre Qualifikationsrennen bestritt: „Könnte doch die Nationalstaffel der Männer so wechseln wie die 4x100-Meter-Meister der Jugend.“

Sporthistorische Privatvorlesungen

Meine vielen Begegnungen mit ihm waren meist sporthistorische Privatvorlesungen. Er erzählte und ich durfte hin und wieder kleine Ergänzungen beisteuern. Meistens hatte ich Fragen an ihn. Wenn Gustav anrief oder ich ihn, verabschiedete ich mich von meiner Frau. Trotz aller überwältigenden Wissensvermittlung: Er war immer auch am Menschen interessiert, fragte nach Familie, nach Beruf, nach Krankheiten, berichtete von seinen Kindern, dem Chefarzt und dem Sportjournalisten.

Er berichtete nicht nur, sondern examinierte seine Freunde auch sehr gern: „Weißt Du, welches sporthistorische Ereignis heute vor 75 Jahren stattgefunden hat?“ Es war reiner Zufall: Ich wusste es: Christel Schulz aus Münster sprang als erste Frau der Welt über sechs Meter und schlug Fanny Blankers-Koen. Das hat mein Ansehen bei ihm, glaube ich, erheblich gesteigert.

Ich erinnere mich an einen gemeinsamen Flug mit ihm zu den Europameisterschaften nach Helsinki und wir kommunizierten, wie üblich, ohne Pause. Nach der Hälfte der Strecke wandte sich der vor uns sitzende Fluggast um und fragte, ob wir nicht mal eine Zeitlang nach draußen gehen wollten.

Nicht nur Chronist, sondern Leichtathletikgeschichte

Gustav Schwenk war nicht nur ein Chronist der Leichtathletik. Er war und bleibt ein Stück Leichtathletikgeschichte selbst. Das gilt vor allem für die sattsam bekannte Episode um Armin Harys Weltrekord in Zürich 1960. Als das Kampfgericht Harys Zeit von 10,0 Sekunden annullierte, weil der Starter seinen Start als Fehlstart bezeichnete, aber nicht zurückgeschossen hatte, schrieb damals ein Kollege: „Plötzlich wedelte der deutsche Journalist mit dem Regelheft und machte auf die Möglichkeit eines Wiederholungslaufs aufmerksam.“ Und Armin Hary lief noch mal 10,0 Sekunden.

Es waren nicht nur die Zahlen und Fakten, die Gustav Schwenk interessierten. Er war immer um die Kenntnis von Zusammenhängen und Hintergründen seines Stoffs bemüht, ohne aber zu spekulieren. Als ich ihn einmal fragte, warum er nicht ausführlicher über Doping berichte, das er natürlich verurteilte, sagte er, er habe nicht genügend Kenntnisse über die Gesamtheit des Phänomens. Und deshalb hielt er sich zurück.

Gegenwart nicht ohne Vergangenheit verstehen

In der jüngsten Zeit hatte ich den Eindruck, dass er ein wenig resignierte, weil seine Sicht der Dinge, vor allem die auf die Vergangenheit und ihre Pflege in einem Verband wie dem DLV nicht mehr sonderlich viel Echo findet. Dieser Eindruck trifft nicht nur für Gustav Schwenks Bemühen um das Wissen über die DLV-Geschichte zu. Die Beschäftigung mit der Vergangenheit scheint mir grundsätzlich kein sonderlich hoch bewerteter Faktor in unserer Kultur zu sein. Die Sportwissenschaft hat sich zumindest in der Ausbildung der Sportlehrer weitgehend von der Geschichte des Sports verabschiedet.

Wir sollten uns dem nicht anschließen. Vielleicht könnte es ein Vermächtnis von Gustav Schwenk für unseren Verband sein, dass, wer die Gegenwart verstehen will, dies nicht ohne Wissen um seine Vergangenheit tun kann.

Daten zu Gustav Schwenk

* 17.12.1923 Düsseldorf; † 11.1.2015
Sportjournalist; von 1947 bis 1957 tätig beim sid (Leichtathletik, Handball, Ringen und Gewichtheben), seit März 1957 Freier Journalist (Leichtathletik und bis 1982 Handball); berichtet seit 1950 mit wenigen Ausnahmen regelmäßig von allen Deutschen Meisterschaften und internationalen Leichtathletik-Meisterschaften; bei den 1. Europäischen Juniorenspielen 1966 in Odessa (Ukraine) einziger westeuropäische Pressevertreter; einziger deutscher Journalist bei den Weltrekorden von Lauer und Hary 1960 in Zürich (Schweiz); 1962 Mitbegründer und seit 1986 Sekretär der Leichtathletik-Kommission des Internationalen Sportpresse-Verbandes (AIPS); im Westdeutschen Landesverband Pressewart (1953-57); seit 1991 Mitglied der IAAF-Pressekommission; DLV-Nadel in Silber (1956) und Gold (1959); Carl-Diem-Schildträger (1984); Heinz-Cavalier-Preisträger (1987); World Athletics Journalist (Monte Carlo 22.11.2009).

Gustav Schwenk wurde anlässlich der Olympischen Spiele 2012 in London (Großbritannien) vom Sportjournalisten-Weltverband (AIPS) für seine langjährigen Teilnahmen als akkreditierter Sportjournalist (seit 1952 war er bei 15 Olympischen Spielen dabei) ausgezeichnet. 2012 erhielt er den DLV-Medienpreis.

Quelle: Klaus Amrhein; Biographisches Handbuch zur Geschichte der Deutschen Leichtathletik

 

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