| Ausblick

Hallen-EM 2017 Belgrad – Die große Vorschau der Männer

Einige Top-Stars der Szene gönnen sich auch im nach-olympischen Winter keine Pause und greifen bei der Hallen-EM in Belgrad (Serbien) am kommenden Wochenende (3. bis 5. März) schon wieder zu Medaillen. In anderen Disziplinen könnten neue Namen erstmals ganz oben stehen. leichtathletik.de geht die Titelanwärter und Chancen für die DLV-Teinehmer von Disziplin zu Disziplin durch.
Jan-Henner Reitze
60 Meter – Wer stoppt die Briten?

Unter den Top Ten der schnellsten Sprinter des Winters sind sieben Briten. So können sie es sich erlauben, bekannte Namen wie den 100-Meter-Europameister von 2014 James Dasaolu oder den Jahresschnellsten Chijindu Ujah zu Hause zu lassen. Titelverteidiger Richard Kilty, Andrew Robertson und Theo Etienne führen dennoch die Meldeliste an.

Durch den Verzicht von Athleten wie dem Deutschen Rekordler und Dritten der Hallen-EM von 2015 Julian Reus (TV Wattenscheid 01) oder der Franzosen Christophe Lemaitre und Jimmy Vicaut könnten sich neue Namen in den Vordergrund laufen und einen britischen Sweep verhindern. Für den DLV-Starter Aleixo-Platini Menga gilt es, seine Bestzeit beim großen internationalen Auftritt möglichst zu bestätigen oder sogar zu steigern.

Titelverteidiger: Richard Kilty (Großbritannien; 6,51 sec)
Jahresschnellster: Chijindu Ujah (Großbritannien; 6,56 sec)
Deutscher Teilnehmer: Aleixo-Platini Menga (TSV Bayer 04 Leverkusen; 6,66 sec)
 

400 Meter – Pavel Maslak vor Hattrick

Wenn es in der Halle um Titel ging, stand in den vergangenen vier Jahren immer der Name Maslak in den Siegerlisten. Der Tscheche hat seit 2013 jeweils zwei Titel bei Hallen-Europameisterschaften und -Weltmeisterschaften ersprintet. Und es spricht alles dafür, dass der 26-Jährige diese Serie in Belgrad fortsetzt.

Auch Oscar Husillos hat mit Landesrekord von 45,92 Sekunden in diesem Winter schon die 46 Sekunden unterboten und führt ein starkes spanisches Trio an. Marc Koch und Marvin Schlegel müssen sich mit ihren starken Zeiten von der Hallen-DM nicht verstecken. Beim ersten ganz großen Einsatz winkt die Erfahrung und die Aussicht, nach dem Vorlauf am Vormittag am Nachmittag gleich das Halbfinale zu bestreiten.

Titelverteidiger: Pavel Maslak (Tschechische Republik; 45,33 sec)
Jahresschnellster: Pavel Maslak (Tschechische Republik; 45,80 sec)
Deutsche Teilnehmer: Marc Koch (LG Nord Berlin; 46,40 sec), Marvin Schlegel (LAC Erdgas Chemnitz; 46,78 sec)

800 Meter – Adam Kszczot will polnische Siegesserie fortsetzen

Bei der Hallen-EM 2015 hat Marcin Lewandowski seinen polnischen Landsmann Adam Kszczot als Europameister vertreten, der in den Jahren 2011 und 2013 ganz oben stand. In diesem Winter ist Adam Kszczot wieder verletzungsfrei durch die Saison gekommen und fit für seinen dritten Titel dieser Art. Marcin Lewandowski überlässt ihm die Chance auf den Hattrick kampflos und startet wie schon 2013 über 1.500 Meter.

Stärkste Gegner sind damit Amel Tuka (Bosnien-Herzegowina) und Kevin López (Spanien). Die DLV-Youngster Robert Farken und Christoph Kessler werden erstmals Ellbogen-Kontakt mit den Top-Athleten bei einer internationalen Meisterschaft haben und wollen sich auf dieser großen Bühne erste Sporen verdienen.

Titelverteidiger: Marcin Lewandowski (Polen; 1:46,67 min)
Jahresschnellster: Adam Kszczot (Polen; 1:46,17 min)
Deutsche Teilnehmer: Robert Farken (SC DHfK Leipzig; 1:47,65 min), Christoph Kessler (LG Region Karlsruhe; 1:47,81 min)

1.500 Meter – Filip Ingebrigtsen gegen Marcin Lewandowski

Ausflüge auf die 1.500 Meter gehören für Marcin Lewandowski regelmäßig zum Wettkampfprogramm. Der Olympia-Sechste und noch amtierende Hallen-Europameister über 800 Meter ist über die längere Mittelstrecke bei der Hallen-EM 2013 als Vierter nur knapp an einer Medaille vorbeigeschrammt. Diesmal könnte es zu Edelmetall oder sogar den Sieg reichen.

Noch ohne Listung in den Bestenlisten dieser Hallensaison, aber wenn es um Medaillen geht immer zu beachten ist der Name Ingebrigtsen. Über 1.500 Meter hat sich der Freiluft-Europameister auf dieser Strecke Filip angekündigt. Der gerade einmal 20-jährige Kalle Berglund hat mit schwedischem Landesrekord (3:37,69 min) in Birmingham (Großbritannien) auf sich aufmerksam gemacht, muss diese Leistung aber erst einmal bestätigen. In diesem Rennen ist auch der Brite Tom Lancashire deutlich unter 3:40 Minuten (3:38,52 min) geblieben.

Timo Benitz hat sich in der Halle noch nie bei einer internationalen Meisterschaft versucht. Je nach Rennverlauf könnte sein Kick hinten raus ein entscheidender Vorteil sein – und zum Beispiel ins Finale führen. Um den Einzug in den Endlauf will auch der Deutsche Hallenmeister Marius Probst mitkämpfen.

Titelverteidiger: Jakub Holuša (Tschechische Republik; 3:37,68 min)
Jahresschnellster: Andrew Butchart (Großbritannien; 3:37,58 min)
Deutsche Teilnehmer: Timo Benitz (LG farbtex Nordschwarzwald; 3:40,27 min), Marius Probst (TV Wattenscheid 01; 3:41,40 min)

3.000 Meter – Tempo-Hatz oder taktisches Rennen?

Mit einem Tempo-Diktat hatte der gebürtige Kenianer im Trikot der Türkei Ali Kaya 2015 den Charakter des Finals geprägt. In diesem Winter hat sich der Titelverteidiger zumindest bisher nicht in überragender Form präsentiert, das gilt auch für Mitstreiter Aras Kaya.

Nimmt diesmal wieder ein Athlet das Heft in die Hand und rennt vorneweg? Im Sinne von Richard Ringer wäre das eher nicht, der bei der Tempohatz 2015 Rang fünf belegt hatte. In einem taktischen Rennen mit Spurtentscheidung dürften seine Chance besser aussehen – das hat er zum Beispiel beim Gewinn der Bronzemedaille bei der Freiluft-EM im vergangenen Sommer bewiesen.

Ums Podest kämpfen wollen auch Henrik Ingebrigtsen (Norwegen), die Spanier um Adel Mechaal sowie der Zweite der vergangenen Hallen-EM Lee Emanuel (Großbritannien). Ebenfalls zu beachten: Der Sieger von 2013 Hayle Ibrahimov (Aserbaidschan).

Titelverteidiger: Ali Kaya (Türkei; 7:38,42 min)
Jahresschnellster: Andrew Butchart (Großbritannien; 7:41,05 min)
Deutscher Teilnehmer: Richard Ringer (VfB LC Friedrichshafen; 7:53,56 min)

60 Meter Hürden – Andrew Pozzi kann sich nur selbst schlagen

7,44 Sekunden in Karlsruhe, 7,44 Sekunden in Sheffield und 7,43 Sekunden in Birmingham. Durch diese Top-Zeiten hat sich der Brite Andrew Pozzi in die Rolle des Top-Favoriten gelaufen. Doch wird es gelingen, diese Leistung zu bestätigen, wenn zum krönenden Abschluss des ersten Wettkampf-Tages in Belgrad das Finale gestartet wird? Zumal die Athleten dann schon zwei Runden in den Beinen haben.

Der gebürtige Kubaner im Trikot Spaniens Orlando Ortega ist ein Kandidat, der einen Fehler des Favoriten nutzen könnte. Titelverteidiger Pascal Martinot-Lagarde bewahrte schon mehrfach in Finals die Nerven und blieb im entscheidenden Moment unter 7,50 Sekunden.

Wieder in den Endlauf möchte Erik Balnuweit, der damit nach einer OP und dem Wechsel des Umfeldes an seine Leistungen der Jahre 2013 bis 2015 anknüpfen würde. Als Finalist der Hallen-EM beziehungsweise -WM in Göteborg (Schweden), Sopot (Polen) und Prag (Tschechische Republik) bewies er sich zuletzt immer als Turnierläufer. Maximilian Bayer wird seine ersten Erfahrungen auf großer Bühne sammeln.  

Titelverteidiger: Pascal Martinot-Lagarde (Frankreich; 7,49 sec)
Jahresschnellster: Andrew Pozzi (Großbritannien; 7,43 sec)
Deutsche Teilnehmer: Erik Balnuweit (TV Wattenscheid 01; 7,62 sec), Maximilian Bayer (MTV 1881 Ingolstadt; 7,69 sec)

4x400 Meter – Borlée-Express in der Favoritenrolle

Die Borlée-Brüder Jonathan, Kevin und Dylan sowie Julien Watrin haben schon 2015 den Titel nach Belgien geholt. Das Quartett hat mit Landesrekord eine Olympia-Medaille in Rio als Vierter hinter den USA, Jamaika und den Bahamas nur um drei Hundertstel verpasst. In Europa sind sie klar die Nummer eins. Mit Polen war eine weitere europäische Staffel im Olympiafinale. Ein weiterer heißer Anwärter auf Edelmetall in Belgrad: die Tschechische Republik mit dem Favorit im Einzel Pavel Maslak.

Titelverteidiger: Belgien (3:02,87 min)
Jahresbeste: 
Deutsche Teilnehmer: keine

Hochsprung – Bühne frei für neue Namen

Aus dem Feld der Hochspringer ragen der Pole Sylwester Bednarek (2,33 m) und der Weißrusse Pavel Seliverstau (2,32 m) heraus, die in diesem Winter schon mehrfach Höhen von 2,30 Meter oder mehr gemeistert haben.

Dahinter folgt im dicht gedrängten Verfolgerfeld unter anderem Mateusz Przybylko mit einer Saisonbestleistung von 2,28 Metern. Der 24-Jährige hat sich schon bei der Hallen-EM 2015, der Freiluft-WM 2015 und Olympia gezeigt, verpasste aber jeweils das Finale. Belgrad bietet eine lösbare Aufgabe, erstmals eine Qualifikation bei einer internationalen Meisterschaft der Erwachsenen zu überstehen.

Die ganz großen Namen wie Gianmarco Tamberi (Italien) oder Bogdan Bondarenko (Ukraine) fehlen in diesem Winter. Zu den bekannteren Namen unter den Medaillenanwärtern zählt der Olympia-Vierte Robbie Grabarz aus Großbritannien.

Titelverteidiger: Daniyil Tsyplakov (Russland; 2,31 m)
Jahresbester: Sylwester Bednarek (Polen; 2,33 m)
Deutsche Teilnehmer: Mateusz Przybylko (TSV Bayer 04 Leverkusen; 2,28 m)

Stabhochsprung – Piotr Lisek greift nach dem ersten Titel

Der Überflieger des Winters ist Piotr Lisek. Der Pole meisterte in Potsdam erstmals 6,00 Meter und übersprang als einziger Athlet in diesem Winter mehrfach Höhen jenseits der 5,80 Meter. Er übernimmt damit die Rolle des Favoriten von Titelverteidiger Renaud Lavillenie, der die Hallensaison verletzungsbedingt beendet hat.

Weitere bekannte Namen unter den Medaillenkandidaten müssen sich steigern, um eine Chance auf Gold zu haben. Das gilt für Raphael Holzdeppe, den Weltmeister von 2011 Pawel Wojciechowski aus Polen oder den Hallen-Weltmeister von 2014  Konstadínos Filippídis aus Griechenland.

Florian Gaul wird mit seiner ersten Startgelegenheit bei einer großen Meisterschaft spät für seine Höhenflüge des vergangenen Sommers belohnt, in dem er die Normen für die Großereignisse jeweils zu spät sprang. Diese Höhen zählten aber auch für die Qualifikation in diesem Winter. Ein anderer Überflieger des Winters hat sich gegen einen Start in Belgrad entschieden: U20-Weltrekordler Armand Duplantis (Schweden) zieht es vor, sich in den USA langfristig auf den Sommer vorzubereiten.

Titelverteidiger: Renaud Lavillenie (Frankreich; 6,04 m)
Jahresbester: Piotr Lisek (Polen; 6,00 m)
Deutsche Teilnehmer: Raphael Holzdeppe (LAZ Zweibrücken; 5,73 m), Florian Gaul (VfL Sindelfingen; 5,60 m)
 

Weitsprung – Acht Meter für den Sprung ins Glück

Wer in Belgrad einen Acht-Meter-Sprung erwischt, kann auf Edelmetall hoffen. Bisher ist es in diesem Winter erst vier Europäern gelungen, diese Marke zu übertreffen. Und der Jahresbeste Jean-Pierre Bertrand aus Frankreich ist nicht am Start. Die anderen drei Acht-Meter-Springer des Jahres kommen alle aus Italien, angeführt von Lamont Marcell Jacobs (8,07 m).

Titelverteidiger Michel Tornéus (Schweden) bringt eine Saisonbestleistung von 7,80 Metern mit, der Franzose Kafétien Gomis 7,84 Meter. Julian Howard möchte eine Leistung wie in Karlsruhe (7,97 m) oder bei der Hallen-DM (7,82 m) abliefern, um möglichst ins Finale einzuziehen. Ist das erreicht, hätte er im Achter-Finalfeld sechs Versuche, um einen guten Versuch zu treffen.

Titelverteidiger:
Michel Tornéus (Schweden; 8,30 m)
Jahresbester: Jean-Pierre Bertrand (Frankreich; 8,08 m)
Deutscher Teilnehmer: Julian Howard (LG Region Karlsruhe; 7,97 m)
 

Dreisprung – Max Heß hat das Zeug zu Edelmetall

Als gerade einmal 18-Jähriger meisterte Max Heß bei der Hallen-EM 2015 seine internationale Feuertaufe - damals als Elfter im Weitsprung. Diesmal geht der 20-Jährige in seiner Spezialdisziplin, dem Dreisprung, an den Start und hat mit Silber bei der Hallen-EM und dem Titel bei der Freiluft-EM sowie der Olympiateilnahme eine große Portion Erfahrung im Gepäck. Erklärtes Ziel sind die 17 Meter und eine Medaille.

Diese Marke haben mit den Franzosen Jean-Marc Pontvianne und dem erst 18-jährigen Melvin Raffin in diesem Winter bisher erst zwei Athleten übertroffen, die in Belgrad ebenfalls auf den großen Sprung hoffen.
Eine Menge Erfahrung bringen der Titelverteidiger und Olympiasieger von 2008 Nelson Évora (Portugal) und der 40-jährige Fabrizio Donato (Itlaien) mit, der seine Premiere bei einer Hallen-EM im Jahr 2000 hatte.

Titelverteidiger: Nelson Évora (Portugal; 17,21 m)
Jahresbester: Jean-Marc Pontvianne (Frankreich; 17,13 m)
Deutscher Teilnehmer: Max Heß (LAC Erdgas Chemnitz; 16,71 m)

Kugelstoßen – David Storl will Top-Position in Europa verteidigen

Auf dem Papier sieht es aus wie immer: Titelverteidiger und Jahresbester ist David Storl. Der mögliche fünfte EM-Titel der Karriere insgesamt wird allerdings alles andere als ein Selbstläufer und hätte auch einen größeren Wert für den 26-Jährigen, nachdem er bei Olympia als Sieber erstmals einen Misserfolg bei einer großen Meisterschaft verarbeiten musste.

Denn auch der Tscheche Tomáš Staněk (21,32 m) und der Pole Konrad Bukowiecki (21,15 m) haben in diesem Winter schon die 21 Meter übertroffen. David Storl hat in der Vergangenheit mehrfach gezeigt, dass er etwas draufpacken kann, wenn es um Gold geht. Ein solches Erfolgserlebnis am Ende der Hallensaison könnte einen Schub geben, es im Sommer auch wieder mit den starken US-Boys aufzunehmen.

Titelverteidiger: David Storl (SC DHfK Leipzig; 21,23 m)
Jahresbester: David Storl (SC DHfK Leipzig; 21,37 m)
Deutsche Teilnehmer: David Storl (SC DHfK Leipzig; 21,37 m)

Siebenkampf – Kevin Mayer nach Olympia-Silber heiß auf Gold

Jorge Ureña hat den spanischen Landrekord Ende Januar mit sieben Bestleistungen auf 6.249 Punkte gesteigert. Eine Punktzahl, die allemal gut für eine Medaille ist. Bei internationalen Meisterschaften hat der 23-Jährige bisher einen siebten Platz bei der Hallen-EM 2015 sowie Silber von der U23-EM im gleichen Jahr vorzuweisen. Der nächste Schritt in die internationale Elite erscheint möglich.

Nach Olympia-Silber im Zehnkampf ist Kevin Mayer heiß auf einen Titel und auch in Form. Dem Franzosen unterliefen bei seinen Test in diesem Winter allerdings auch Fehler. Beim Meeting in Paris (Frankreich) kam er über die Hürden nicht ins Ziel, im Siebenkampf bei den nationalen Meisterschaften ging keine Leistung im Weitsprung in die Ergebnisprotokolle ein.

Mathias Brugger will ran an seine Punktzahl vom Bronze-Coup bei der Hallen-WM (6.126 Punkte) im vergangenen Jahr. Diese Leistung war bei sieben der letzten zwölf Siebenkampf-Ausgaben von Hallen-Europameisterschaften für eine Medaille gut.

Titelverteidiger: Ilya Shkurenyov (Russland; 6.353 Punkte)
Jahresbester: Jorge Ureña (Spanien; 6.249 Punkte)
Deutsche Teilnehmer: Mathias Brugger (SSV Ulm 1846; 5.981 Punkte)

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