| Interview der Woche

Hanna Klein: „Ich habe mich selbst positiv überrascht“

Geballte afrikanische Lauf-Elite – und mittendrin Hanna Klein. Die Läuferin von der SG Schorndorf 1846 hat am Freitag in Doha (Katar) in einem Weltklasse-Feld über 3.000 Meter eine bemerkenswerte Premiere in der Diamond League gefeiert. Wie sie das Rennen erlebt hat, welche Erfahrungen sie mitnimmt für die WM im Herbst an selber Stelle und warum sie sich mit ihrer Bestzeit von 8:45,00 Minuten selbst überraschte, das berichtet sie im Interview.
Silke Bernhart

Hanna Klein, herzlichen Glückwunsch zu einem tollen Saison-Start! Gleich bei der Diamond League-Premiere als einzige gebürtige Europäerin in einem Feld mit afrikanischen Topläuferinnen – wieviel Zeit hatten Sie, sich auf diese Situation vorzubereiten?

Hanna Klein:
Ich war im März im Trainingslager in Kenia, dort wusste ich schon, dass ich in Doha starten werde, ich hatte also zwei Monate Vorlaufzeit. Ich habe einfach versucht, einen Platz zu kriegen – und es hat geklappt. Als ich dann das konkrete Starterfeld gesehen habe, habe ich schon gedacht: Oh, das ist ja wie eine Afrika-Meisterschaft! (lacht) Alle haben unglaublich gute Bestleistungen.

Wie sind Sie damit mental umgegangen?

Hanna Klein:
Ich habe versucht, mich davon nicht zu sehr beeinflussen zu lassen. Ich wusste, dass es ein Saison-Einstieg ist, für mich und für viele andere auch. Für mich stand im Vordergrund, Erfahrungen zu sammeln und mir Doha anzuschauen. Das hat mich innerlich beruhigt und mir geholfen, mich nicht verrückt zu machen.

Konnten Sie diese Portion Gelassenheit dann auch mit ins Rennen nehmen? 

Hanna Klein:
Direkt vorher war es schon etwas komisch. Wir waren als letztes dran, das Stadion hat sich schon langsam geleert. Da waren es dann nur noch die Afrikanerinnen und ich (lacht). Viele Namen waren sich ähnlich, die Mitarbeiter im Call Room hatten Schwierigkeiten, die Athletinnen auseinanderzuhalten. Ich habe versucht, das alles mit Humor zu nehmen.

Im Stadion ging’s dann mit den ersten 1.000 Metern in 2:50 Minuten gleich richtig zur Sache. Wir haben Sie das Rennen erlebt?

Hanna Klein:
Besonders die erste Runde sind die anderen gleich in einem Höllentempo angegangen. Da habe ich mir gedacht: Die müssen auf jeden Fall langsamer werden! Ich habe versucht, mir treu zu bleiben und meine Pace zu halten, auch wenn ich vielleicht den ersten Kilometer einen Tick zu schnell mitgegangen bin. Das Risiko musste ich eingehen, weil ich auch nicht zu weit abreißen lassen wollte. Alleine ganz hinten ist es schwer, und so konnte ich gegen Ende wenigstens noch ein paar Plätze gutmachen.

Außerdem konnten Sie Ihre Hallen-Bestmarke auf dieser Strecke um fünf Sekunden und Ihre Freiluft-Bestmarke sogar um 16 Sekunden steigern. Da dürfte es keinen Grund zum Meckern geben…

Hanna Klein:
Von meiner Seite aus überhaupt nicht! Wir sind Anfang April aus dem Trainingslager in Kenia zurückgekommen, und in Deutschland habe ich mir einen Magen-Darm-Infekt eingefangen. Da hing ich erstmal zehn Tage in den Seilen. Dann waren mit dem Verein noch mal im Trainingslager in Friedrichshafen. Dort ging es langsam wieder aufwärts, aber in der Woche vor Doha war ich ziemlich platt. Daher war es für mich nicht ganz klar, wie schnell ich laufen kann. Ich habe gehofft, dass ich ungefähr das Niveau von der Hallensaison abrufen kann. Jetzt bin ich doch positiv überrascht, dass ich so schnell war.

Im Khalifa Stadion von Doha finden im Herbst auch die Weltmeisterschaften statt. Besonders die Hitze im Wüsten-Emirat Katar und die Pläne, das Stadion zu klimatisieren, stellen Athleten und Betreuer in ihrer Vorbereitung vor große Herausforderungen. Welche Erfahrungen haben Sie vor Ort gesammelt?

Hanna Klein:
Ich bin zwei Tage vor dem Wettkampf angereist, so ist es wahrscheinlich auch vor der WM geplant. Und ich war, glaube ich, sogar in einem der Athleten-Hotels und kenne jetzt die Anfahrt zum Stadion. Insofern war es gut für mich, die Abläufe schon mal mitzumachen. Ausschlaggebend war aber für mich zu sehen, wie sie es dort mit der Klima-Anlage im Stadion halten.

Bei den Asien-Meisterschaften war es dort zuletzt so kühl, dass einige Journalisten mit dicken Pullovern auf der Tribüne saßen…

Hanna Klein:
Bei uns war die Klima-Anlage abends während des Wettkampfs aus, aber ich glaube, dass sie tagsüber an war. Sicher bin ich mir nicht. Um 18:00 Uhr geht die Sonne unter, um 20:00 Uhr habe ich mich warmgemacht, da waren’s 28 Grad, das ist eigentlich ok. Da kann man auch eine vernünftige Langstrecke laufen, weil die knallende Sonne weg ist. Zudem ist das Stadion ziemlich weit überdacht.

Sie konnten also bei angenehmen Bedingungen laufen?

Hanna Klein:
Schon. Aber die Schwierigkeit ist, dass man auf dem Aufwärmplatz anfängt zu schwitzen – und dann kommt man in die Katakomben und es ist wahnsinnig kalt. Der Temperatur-Unterschied war heftig für mich. In den Katakomben mussten wir schon zehn bis 15 Minuten vor dem Rennen alle Klamotten ausziehen. Da haben alle angefangen zu frieren – die Afrikanerinnen sowieso, und ich auch. Für den Lauf an sich waren die Temperaturen ok. Doch wenn man dann nach dem Wettkampf wieder rausgeht zum Aufwärmplatz, kühlt man sich in den Katakomben wieder ab. Und auf dem Weg nach draußen wird es Schritt für Schritt wärmer. Als ich draußen war, war meine Hose schon wieder komplett durchgeschwitzt. Mit diesen Temperatur-Unterschieden klarzukommen, ist schon eine Herausforderung.

Welche Schlüsse ziehen Sie für sich daraus?

Hanna Klein:
Ich habe mir überlegt, eine Decke mit in den Call Room zu nehmen, die man irgendwo hinschmeißen kann, kurz bevor man rausgeht. Damit man wenigstens noch etwas hat, womit man sich bedecken kann. Ich bin auch gespannt darauf, was sich das Trainerteam vom DLV einfallen lässt! Schwieriger wird es ja noch, wenn man mehrere Runden hat und das alles am nächsten Tag noch mal machen muss. Da muss man schon aufpassen.

Zeit für eine Erkundungstour durch Doha hatten Sie vermutlich nicht…

Hanna Klein:
Ich war tagsüber gar nicht draußen. Wenn ich morgens laufen war, dann auf dem Laufband. Ich bin erst abends rausgegangen. Wenn man so kurzfristig anreist, muss man sich die 40 Grad Außentemperatur nicht geben. Ich habe viel mit Elektrolyten gearbeitet, damit bin ich gut gefahren. Aber ich muss sagen: Das Stadion ist schön! Das hat mir gut gefallen. Es hat eine tolle Atmosphäre, besonders wenn es dunkel ist. Und die Zuschauer – auch wenn es wenige waren – haben ordentlich Stimmung gemacht. Die Geräuschkulisse war mindestens so wie bei einer Deutschen Meisterschaft. Ich glaube, wenn noch mehr Publikum da ist, kann es cool werden.

Die 3.000 Meter sind keine WM-Strecke. Sie waren international schon sowohl über 1.500 als auch über 5.000 Meter am Start. Worauf liegt der Fokus in diesem Jahr?

Hanna Klein:
Ich weiß jetzt schon mal, dass die Ausdauerwerte passen. Ich werde wieder versuchen, über 1.500 und 5.000 Meter gute Zeiten zu erzielen. Aber ich denke, ich werde mich in diesem Jahr eher auf die 1.500 Meter konzentrieren werde. Wenn da aber etwas schiefläuft, will ich auch eine gute 5.000er Zeit in der Hand haben. Das ist eine kleine Absicherung, und die 5.000 Meter machen mir auch Spaß. Trotzdem möchte ich erstmal noch mein Potenzial über die 1.500 Meter mehr ausschöpfen.

Wo können die Fans Sie als nächstes laufen sehen?

Hanna Klein:
Ganz konkrete Pläne gibt es noch keine. Mitte Mai würde ich gerne noch mal irgendwo die 800 Meter laufen, als Unterdistanz aus dem Training heraus. Dann versuche ich, Ende Mai ein gutes Rennen über 1.500 Meter zu kriegen. Vielleicht tut sich da ja noch mal eine Option in der Diamond League auf. Anfang Juni gibt es dann ein 5.000 Meter-Rennen in Hengelo.

Mehr zum Meeting in Doha:
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