| Neue Meister

Jackie Baumann - Zielstrebig und geduldig Richtung Spitze

In Nürnberg haben elf DLV-Athleten zum ersten Mal bei Deutschen Meisterschaften der "Großen" ganz oben auf dem Treppchen gestanden. Einige von ihnen haben schon große internationale Erfolge gefeiert - andere wollen den Sprung auf die große Bühne von Olympia, WM und Co. noch schaffen. leichtathletik.de stellt die „Neuen Meister“ vor. Heute: Langhürdlerin Jackie Baumann (LAV Stadtwerke Tübingen).
Jan-Henner Reitze

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail jackie-baumann>Jackie Baumann
LAV Stadtwerke Tübingen

*4. August 1995
Größe: 1,74 Meter
Gewicht: 56 kg

400 Meter Hürden
Bestleistung: 56,62 sec (2015)
Achte U23-EM 2015
Deutscher Meisterin 2015

Der deutsche Meistertitel in Nürnberg war für Jackie Baumann der krönende Abschluss einer Saison, in der die junge Athletin einen großen Schritt nach vorne gemacht hat - und in der sich auch auf internationaler Bühne alle Träume erfüllten. Im wichtigsten Rennen des Jahres, dem Halbfinale der U23-EM in Tallinn (Estland), drückte die junge Langhürdlerin ihre Bestzeit auf 56,62 Sekunden. Im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um 1,8 Sekunden. Insgesamt sechsmal blieb die 20-Jährige unter der Bestzeit von 2014 (58,42 sec). Im Finale der U23-EM wurde es der achte Platz.

So süß die Erfolge des Sommers auch schmecken, so lehrreich war vorher der einzige Rückschlag der Saison. Bei der U23-DM in Wetzlar Mitte Juni war überraschend schon im Vorlauf Schluss. 60,91 Sekunden reichten nicht für die besten Acht. "Ich habe mich zu sehr darauf verlassen, dass es einfach ist, schnell zu laufen", so die Tübingerin. "Daraus gelernt habe ich, dass die Vorläufe immer die schwersten Läufe sind." Diese Erkenntnis wurde im weiteren Saisonverlauf bei U23-EM und DM gleich erfolgreich umgesetzt.

Ein Schlüssel zur Steigerung im zurückliegenden Jahr war die Arbeit an der Technik. "Außerdem habe ich mein Ziel - die U23-EM in Tallinn - klar formuliert und fokussiert darauf hingearbeitet", so Jackie Baumann, die auch ihr Umfeld als Teil des Erfolgsrezepts lobt. "Ich habe das Glück, dass mich meine beiden Trainer auf diesem Weg immer unterstützt haben. An guten und an schlechten Tagen."

Trainer-Duo und ein Schuss US-Support

Dieses Trainer-Duo ist ein ganz besonderes. Zu Mutter Isabelle besteht nicht nur das persönliche Vertrauensverhältnis einer Tochter als Basis der Zusammenarbeit auf der Bahn. Obendrauf kommt das Wissen, dass die Mama als Trainerin schon große Erfolge gefeiert hat. Der größte war der Olympiasieg von Mann Dieter 1992 über 5.000 Meter. „Ich weiß: Was sie tut, bringt mich weiter", so die Tochter.  

Für die Technik ist Sven Rees zuständig, der unter anderem auch den Deutschen Meister im Hürdensprint Gregor Traber (VfB Stuttgart) betreut. "Als Ansprechpartner neben meiner Mutter ist er genauso wichtig. Ich kann mit ihm über alles reden", erklärt Jackie Baumann.

Darüber hinaus holt sich das Gespann Tipps aus den USA - Freunde der Familie Baumann leben in Tucson im Bundesstaat Arizona. "Ich habe dort Georganne Moline kennen gelernt und auch ihren Coach. Wir haben zum Beispiel Videos von ihr angeschaut", erzählt Jackie Baumann. Georganne Moline ist in London (Großbritannien) Olympia-Fünfte über die Langhürden geworden und hat eine Bestzeit von 53,72 Sekunden. "Es gibt auch die Überlegung, dass ich mal drei Wochen rüber fahre und mittrainiere. Das kommt aber noch zu früh“, erzählt die DLV-Athletin, „vielleicht in ein paar Jahren."

Vom Hochsprung auf die Stadionrunde

In den Mehrkampf-Anfängen in der Leichtathletik deutete sich bei Jackie Baumann zuerst ein Talent im Hochsprung an. Im Alter von 15 ging es über 1,72 Meter. "Dann bin ich aber nicht groß genug geworden", erinnert sie sich. Es ging auf die Suche nach einer neuen Disziplin, die mit der Entscheidung für die Langhürden endete. "Ich bin immer gerne gelaufen und Hürden mochte ich auch. Allerdings glaube ich auch, dass sich die 400 Meter Hürden die Athleten ein bisschen aussuchen und die Wahl nicht nur umgekehrt passiert."

Ihr erfolgreicher Vater Dieter Baumann hat mit der Auswahl von Sportart und Disziplin nichts zu tun. Natürlich wird Jackie häufig nach ihm gefragt und nimmt positives für den eigenen Karriereaufbau aus der Bekanntheit des Olympiasiegers mit. "Ich lasse mich von Prominenz nicht einschüchtern. Ich habe schon ganz andere Kaliber kennengelernt“, erzählt die junge Athletin, die sich nicht so leicht beeinflussen lässt. Das gilt übrigens auch für den eigenen Papa. „Mir ist es wichtig, dass ich mein eigenes Ding mache. Mein Vater hat nie gesagt: Du musst oder du sollst. Meinen Erfolg habe ich mir selbst erarbeitet."

Amsterdam anvisiert

Das nächste Ziel ist schon anvisiert: Amsterdam (Niederlande). Dort finden im kommenden Jahr die Europameisterschaften statt. Auf dem Weg dorthin sollen Kraft, Technik und Beschleunigung verbessert werden. „Damit ich an der ersten Hürde schon Highspeed habe. Außerdem möchte ich den 15er-Rhythmus weiter als bis zur vierten Hürde ziehen, um in der zweiten Kurve nicht so viel Geschwindigkeit zu verlieren.“

Olympia in Rio de Janeiro (Brasilien) kommt noch ein bisschen früh. „Ich will mich nicht acht Monate an einer Norm aufreiben. Sollte es klappen, wäre es natürlich toll. Aber sonst warte ich eben auf 2020", so die Achte der U23-EM. Die Olympianorm liegt bei 55,45 Sekunden.

Solche Zeiten konstant abrufen. Das ist das langfristige Ziel von Jackie Baumann, die sich Zeit für einen kontinuierlichen Aufbau gibt. "Auf den 400 Meter Hürden braucht man mehrere Jahre, bis man auf einem gesicherten Niveau läuft." Die Deutsche Meisterin spricht klar und reflektiert über ihre Ziel und den Weg dorthin. Nicht nur dadurch überzeugt sie davon, dass sie ihre Ziele auch erreichen wird.

Das sagt Bundestrainer Edgar Eisenkolb:

Jackie hat in diesem Jahr eine sehr gute Entwicklung genommen. Insbesondere ist es ihr gelungen, stabil über die gesamte Freiluftsaison ein sehr gutes Leistungsniveau zu zeigen. Die Finalteilnahme bei der U23-EM und der deutsche Meistertitel waren der verdiente Lohn für ihre Steigerung. Für die 400 Meter Hürden bringt Jackie eine Reihe von positiven Voraussetzungen mit. Hier sind ihre Grundschnelligkeit und eine natürliche Ausdauer-Veranlagung vordergründig zu nennen. Ich freue mich sehr darüber, wie sie ihr Selbstbewusstsein gepaart mit einem soliden Ehrgeiz bei den Deutschen Meisterschaften mit dem Satz "Ich schreibe meine eigene Geschichte" zum Ausdruck gebracht hat. Das Anforderungsprofil der Strecke ist sehr komplex. Allein die Rhythmisierung unter differenzierten Wettkampfbedingungen erfordert ein hohes Maß an Erfahrung, die kann man sich nur mit einer entsprechenden Anzahl an Wettkämpfen erarbeiten. Wir hoffen, dass Jackie eine von den jungen deutschen Athletinnen sein wird, die mithilft im Verlauf des kommenden Olympiazyklus den Anschluss an das Weltniveau zu verringern und bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen an den Start gehen wird.

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