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Kai Kazmirek: Der Spaß ist zurück, das EM-Podest im Visier

Zehnkämpfer Kai Kazmirek hatte seinen Start bei der Heim-EM in Berlin wegen muskulären Problemen ganz kurzfristig absagen müssen – das war bitter. Der 27-Jährige war ein heißer Medaillenkandidat. Aus dem Jahr 2018 hat der WM-Dritte Lehren gezogen: Zeit für Regeneration und der Spaß beim Training sind wichtig, um erfolgreich zu sein. Sein nächstes Ziel: ein Podestplatz bei der Hallen-EM in Glasgow.
Pamela Lechner

Den EM-Zehnkampf von Berlin hat Kai Kazmirek (LG Rhein-Wied) mit seiner Freundin in der Schweiz vor dem TV verfolgt. Dort konnte der WM-Dritte von 2017 ausreichend Abstand gewinnen. Die Enttäuschung, selbst nicht im Olympiastadion starten zu können, war groß. „Mir ging es nach der Absage sehr schlecht. Was mich vor allem geärgert hat: Dass man mit einer relativ niedrigen Punktzahl eine Medaille gewonnen hat“, blickt der 27-Jährige zurück. Bei der EM 2014 in Zürich (Schweiz) war er mit stattlichen 8.458 Punkten Sechster geworden, vier Jahr später in Berlin sollten 8.290 Punkte für die Bronzemedaille reichen.
 
Dass er seinen Startplatz Youngster Niklas Kaul (USC Mainz) überlassen hatte, war Ehrensache. Im Training kurz vor der EM waren beim Sprinten Krämpfe im Bein aufgetreten, ein Muskelfaserriss drohte. „Ich hätte mich während des Wettkampfs mit 70 Prozent Wahrscheinlichkeit verletzt und wusste, dass Niki sich fit gehalten hat “, erklärt Kai Kazmirek seine Entscheidung. „Das gleiche Verhalten erwarte ich auch von meinen Kollegen, das ist bei uns Mehrkämpfern die Mentalität.“
 
Gefreut hat er sich aus der Ferne für Disziplin-Kollege Arthur Abele (SSV Ulm 1846) und dessen Europameister-Titel: „Ich war stolz auf ihn, Arthur hat sich das echt verdient.“ Der spontan ins Team gerückte Niklas Kaul konnte mit Platz vier überzeugen.

Hallensaison-Vorbereitung auf Teneriffa

Jetzt ist Kai Kazmirek wieder fit, schon zwei Wochen nach der EM waren die Probleme nicht mehr zu spüren. Die Saisonvorbereitung läuft sehr gut. Im Training sind bei Tests vor eineinhalb Wochen zuletzt einige Bestleistungen gefallen, dazu schwang er sich mit dem Stab aus kurzem Anlauf über starke 4,90 Meter. Den letzten Schliff für seine kurze Hallensaison holt er sich gerade im Trainingslager auf Teneriffa. Sein Tagesablauf: „Trainieren. Essen. Schlafen.“
 
Nach Starts in Einzeldisziplinen bei Regional-Meisterschaften am ersten Februar-Wochenende und den Deutschen Hallenmeisterschaften am 16./17. Februar in Leipzig will er bei der Hallen-EM in Glasgow (Großbritannien; 1. bis 3. März) wieder angreifen und im Siebenkampf ganz vorne mitmischen.

Podest in Glasgow angreifen

Bei der Hallen-WM in Birmingham blieb ihm im März 2018 als Vierter ein Podestplatz verwehrt. Das soll sich in Glasgow ändern: „Kevin Mayer macht nicht mit, daher habe ich gute Chancen auf eine Medaille“, sagt Kai Kazmirek. Gleiches gilt für Arthur Abele. Das DLV-Duo zählt in Abwesenheit des französischen Zehnkampf-Weltrekordlers zu den Top-Favoriten.
 
Aus dem nicht optimal verlaufenen vergangenen Jahr hat Kai Kazmirek gemeinsam mit Trainer Jörg Roos gelernt. Diesen Winter will er anders als 2018, wo er Anfang Februar beim Mehrkampf-Hallen-Meeting in Tallinn (Estland) den Sieg geholt hatte, nur einen Siebenkampf bestreiten – bei der Hallen-EM. Außerdem soll die Hallensaison so kurz wie möglich gehalten werden. Seine Hallensaison 2018 – von Januar bis März – war einfach zu lang. Die Konsequenzen spürte er im Sommer.
 
„Ich war eigentlich schon in Götzis platt, obwohl ich dort noch einigermaßen gut durch den Wettkampf gekommen bin. Danach war der Ofen aus“, berichtet der Polizist über seinen Zustand nach dem österreichischen Mehrkampf-Meeting. „Das wollen wir dieses Jahr vermeiden.“ So soll es mehr Platz für Regeneration geben. Nach der Hallen-EM ist eine Woche Urlaub geplant, bevor die Sommersaison ansteht.

Fokus auf Schnelligkeitsentwicklung

Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor, der Kai Kazmirek im letzten Jahr etwas abhandengekommen war, ist der Spaß an seinem Sport. „Es war mehr Zwang“, erinnert er sich. Die Freude ist mittlerweile zurück: „Ich gehe wieder gern zum Training, diesen Flow habe ich wieder gefunden. Und wenn man den Spaß mit in den Wettkampf nimmt, dann passen auch die Leistungen.“
 
Noch etwas stellte Kai Kazmirek im Vorjahr nicht zufrieden. Seine Schnelligkeit. „Das war extrem schlecht“, meint er selbstkritisch. Dementsprechend angepasst wurden die Inhalte in seiner Saisonvorbereitung. „Wir haben gesagt, wir vernachlässigen alles ein bisschen und legen den Schwerpunkt auf den Sprint.“ Dadurch werden auch viele andere Disziplinen besser, die von der Schnell- und Explosivkraft leben – zum Beispiel der Weitsprung.

Selbstbewusster Blick Richtung WM-Quali

Trotz seiner Ambitionen in der Hallensaison liegt der Fokus auf der WM in Doha (Katar; 28. September bis 6. Oktober). Beim Mehrkampf-Meeting in Götzis (Österreich; 25./26. Mai) will er erstmals die WM-Norm (8.200 Pkt) erfüllen. Nach geglückter Quali ist nochmals eine Pause geplant, bevor der endgültige Aufbau für die extrem spät liegenden Weltmeisterschaften beginnt. „Das hält keiner durch, die Form so lange zu halten, das sind ja fast fünf Monate“, kommentiert Kai Kazmirek die außergewöhnliche Länge der Sommersaison 2019.
 
Auch wenn mit Niklas Kaul ein weiterer starker deutscher Mehrkämpfer in den Kreis der WM-Kandidaten aufgerückt ist, sieht Kai Kazmirek dem Kampf um die Startplätze für Doha entspannt entgegen: „2013 hatten wir acht Mehrkämpfer mit WM-Norm, dieses hohe Niveau hatten wir letzten Sommer noch nicht.“ In den letzten Jahren gelang es ihm in diesem Wettstreit – ausgestattet mit einer Bestleistung von 8.580 Punkten – immer ausreichend hohe Punktezahlen abzurufen. Und außerdem hat er in Katar eine Bronzemedaille zu verteidigen. 

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