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Louisa Grauvogel – Eine Siebenkämpferin auf der Überholspur

Siebenkämpferin Louisa Grauvogel hat eine rasante und bisweilen aufregende Saison hinter sich. Mit ihrem Wechsel nach Leverkusen will die 22-Jährige nun den nächsten Entwicklungsschritt machen – regelmäßige Einsätze im Nationaltrikot.
Thorsten Eisenhofer

Wenn man mit Louisa Grauvogel (noch LG Saar 70) rund eine Stunde lang über ihr Leichtathletik-Jahr 2018 gesprochen hat, dann fragt man sich hinterher, wie die Siebenkämpferin eigentlich alles das, was sie erlebt hat, in einer Saison unterbringen konnte.

Die 22-Jährige hat so viele Wettkämpfe absolviert, war mal hier (Deutschland), mal dort (USA), hat gleich mehrere wichtige Entscheidungen über ihre Zukunft getroffen. Da klingt es irgendwie fast so, als habe jemand anhand der Zeitraffer-Funktion einfach drei Grauvogel-Saisons in eine Grauvogel-Saison gepackt. Aber am Ende dieser gefühlten Zeitraffer-Grauvogel-Saison kann die Mehrkämpferin sagen: „Ich habe eine super tolle Saison gehabt.“

Dass sie eine super tolle Saison absolvieren konnte, daran hat ihre Zeit in den USA an der University of Georgia (2016 bis 2018) einen großen Anteil. Louisa Grauvogel hatte in der Vergangenheit immer wieder mit dem einen oder anderen Zipperlein zu kämpfen. Durch das (Kraft-)Training in den USA ist ihr Körper robuster geworden. Vor allem im Bereich des Rückens, des Rumpfes und der Hüfte. Die Siebenkämpferin glaubt, dass das der Schlüssel zum erfolgreichen Jahr 2018 war.

Siebenkampf-Marathon auf dem Weg nach Berlin

Es war ein Jahr, das sie so nicht erwartet hatte. Die 22-Jährige war nicht mehr Mitglied im Bundeskader, die Heim-EM in Berlin gehörte gar nicht zu ihren Zielen. Doch dann, bei Hallen-Wettkämpfen in den USA, zeigte sie drei gute Fünfkämpfe. „Siebenkampf-Bundestrainer Wolfgang Kühne hat mich angerufen und gesagt, dass er mir 6.000 Punkte im Siebenkampf zutraut.“ 6.000 Punkte waren die Qualifikationsnorm für die Heim-EM in Berlin.

Es folgte im Frühjahr und Frühsommer ein kleiner Siebenkampf-Marathon: Anfang April in den USA 5.887 Punkte. In Halle/Saale mit 6.053 Zählern erstmals die EM-Norm geknackt. Bei den US-College-Meisterschaften in Eugene auf 6.074 Punkte gesteigert. Dieses Ergebnis in Ratingen erneut überboten: 6.162 Punkte. Das bedeutete das EM-Ticket für Berlin.

Zeit in den USA nie bereut

Zwischen den Wettkämpfen in Eugene und Ratingen lag gerade einmal eine Woche. Inklusive Jetlag. Aber Loiusa Grauvogel wollte bei den College-Meisterschaften, bei denen sie Zweite wurde, unbedingt starten. Als Abschluss und zugleich als Dank an ihre Uni. Sie hat sich dort nicht nur als Sportlerin weiterentwickelt („So wie ich jetzt in Wettkämpfen auftrete, kenne ich mich von früher nicht“), sondern auch als Mensch. Ist beispielsweise selbstbewusster geworden.

„Es war auf jeden Fall der richtige Schritt für meine Entwicklung, in die USA zu gehen. Ich bereue das zu null Prozent.“ Auch wenn es nach dem Gewinn der Bronzemedaille bei der U20-EM 2015 in der sportlichen Entwicklung durch Trainer- und Trainingsort-Wechsel erst einmal nicht voranging – zumindest was die Siebenkampf-Punktzahl anging.

2018 Steigerung um mehr als 400 Punkte

Dafür passierte dann das, was im Sport so oft passiert. Ein Athlet bekommt innerhalb kürzester Zeit einen richtigen Leistungsschub. Louisa Grauvogel konnte ihre Siebenkampf-Bestleistung in diesem Jahr um mehr als 400 Punkte verbessern. Hätte sie bei der EM in Berlin den Wettkampf zu Ende bringen können, wäre wohl sogar ein Ergebnis von mehr als 6.300 Punkten in Reichweite gewesen.
Den Schock über den Autounfall in Berlin, der zum Abbruch des Siebenkampfes führte, hat Grauvogel verdaut und verarbeitet. „Wenn ich an Berlin zurückdenke, denke ich nicht an den Unfall.“

Nach der EM musste sich die junge Athletin dann vor allem Gedanken über ihre Zukunft machen. Klar war vor der EM nur gewesen, dass sie nicht in die USA zurückgeht, weil das Studienangebot in Deutschland besser ist. Nach reiflichen Überlegungen entschloss sie sich zum Wechsel von der LG Saar 70 zum TSV Bayer 04 Leverkusen. „Der Weggang ist mir echt schwer gefallen. Ich war mein ganzes Leben in dem gleichen Verein“, sagt Grauvogel.

Erleichterung nach schwierigen Entscheidungen

Es ging nicht nur um die Entscheidung, wo und mit wem sie in den kommenden Jahren trainiert. Es ging auch um die Entscheidung, was sie studiert: Medizin im Saarland oder Biochemie in Köln. Und damit ging es sowohl um ihre sportliche, als auch um ihre berufliche Zukunft. „In meinem Kopf war alles verknotet“, sagt Grauvogel, so sehr habe sie die Entscheidung belastet. Nun freut sie sich, dass sie – wie in den USA – zum Beispiel mit EM-Teilnehmerin Mareike Arndt eine starke Trainingsgruppe hat, in der man sich gegenseitig pushen kann.

Das soll Louisa Grauvogel, die sich trotz der unterbotenen EM-Normen über 100 Meter Hürden und 200 Meter weiterhin auf den Siebenkampf konzentriert, helfen, die nächsten Entwicklungsschritte zu gehen. In zwei bis drei Jahren möchte sie ein Niveau erreicht haben, bei dem dann auch mal eine internationale Medaille („derzeit noch ein Traum“) möglich sein sollte. Aber wer weiß, vielleicht betätigt zwischendurch ja auch wieder jemand die Zeitraffer-Taste.

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