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Patrick Zwicker - In der Höhenluft aus dem Leistungstief

2013 wurde Patrick Zwicker souverän U20-Europameister über 800 Meter. Danach folgten zwei schwierige Jahre mit Verletzungen und Krankheiten. Mittlerweile ist der 21-Jährige wieder fit. Mit ihm ist wieder zu rechnen, sagt er selbst. Allerdings zunächst über 1.500 Meter.
Martin Neumann

Die Saison 2015 endete für Patrick Zwicker (LC Rehlingen) genauso unglücklich wie sie begonnen hatte: mit einem Sturz. Am 29. Januar waren beim PSD Bank-Hallenmeeting in Düsseldorf keine 100 Meter gelaufen, da fand sich der 21-Jährige nach einem Zusammenprall mit dem Leverkusener Patrick Schoenball am Boden wieder. Wenige Minuten später lag er im Krankenwagen. In der Klinik wurden drei Bänderrisse im Sprunggelenk diagnostiziert. Die Hallensaison war gelaufen. Knapp sechs Monate später stürzte sein Staffelkamerad Nils Klein im DM-Vorlauf über 3x1.000 Meter in Jena. Die Finalchance war dahin.

Diese beiden Ereignisse sind kennzeichnend für die verkorkste Saison des Rehlingers. Nichts lief wie geplant. Nach dem Sturz in Düsseldorf dauerte der Heilungsprozess länger als gedacht. Da alles auf eine komplette Hallensaison mit EM-Start in Prag (Tschechien) ausgelegt war, fehlten dem U20-Europameister von 2013 die nötigen Trainingsgrundlagen. Dazu prägte sich eine muskuläre Dysbalance auf der rechten Seite aus.

Verletzung überstanden, Training läuft nach Plan

Tempotraining in der Saisonvorbereitung absolvierte Patrick Zwicker häufig unter Schmerzen. „Manche Einheit musste ich sogar abbrechen“, schaut er zurück. Sonst gar nicht die Art des akribischen Arbeiters auf der Laufbahn. Negativer Höhepunkt: Das Vorlauf-Aus bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg. Lediglich 1:48,97 Minuten brachte er als Saisonbestleistung zustande. Fast drei Sekunden langsamer als 2013, als er mit 1:46,04 Minuten Hausrekord lief und U20-Europameister wurde.

Mittlerweile ist die Saison 2015 abgehakt. Nach dem letzten Rennen Anfang August drückte Patrick Zwicker den Reset-Knopf. „Es war wichtig für Körper und Seele mal weg vom Sport zu kommen“, sagt der Student und ergänzt: „So ein total verkorkstes Jahr ist besser als eine mittelmäßige Saison. Für mich ist das Jahr abgehakt.“ Der Schützling von Adi Zaar schaut zuversichtlich auf die kommenden Aufgaben. Dazu hat er auch allen Grund: Sein erstes Höhentrainingslager vom 25. Oktober bis 20. November in Flagstaff (USA) verlief vielversprechend. „Ich hatte mit der Höhe keine Probleme und konnte alles machen, was auf dem Plan stand. Manchmal sogar noch ein bisschen mehr“, erzählt er.

Hohes Dauerlaufniveau

Neben dem Rehlinger waren seine Disziplinkollegen Robin Schembera (TSV Bayer 04 Leverkusen), Dennis Krüger (1. VfL Fortuna Marzahn) und der Braunschweiger Andreas Lange mit in der Höhe Arizonas. Bei den Dauerläufen sah das Trio allerdings nur Zwickers Hacken. Dieser absolvierte die Grundlagen-Einheiten etwa in 4:00 Minuten pro Kilometer, ein ordentliches Tempo auf mehr als 2.000 Metern Höhe. Und der Beweis für die starke Grundlagenform des Studenten. „Die Dauerläufe habe ich meistens mit Dominik Fabianowski absolviert“, sagt Zwicker. Der 26-Jährige vom ASV Köln war 2014 Deutscher Vizemeister im Marathon und trainiert nach einer Verletzung für sein Comeback im Januar.

Aufgrund der extrem guten Ausdauerwerte hat das Duo Zwicker/Zaar beschlossen, in der kommenden Hallensaison auf die 1.500 Meter zu setzen. „Ich möchte möglichst dicht an die 3:40-Minuten-Marke heranlaufen“, setzt der Mittelstreckler die Messlatte hoch an. Momentan steht seine Bestzeit bei 3:46,26 Minuten. Durch seine hohe Grundschnelligkeit könnte er im Winter den einen oder anderen Konkurrenten ärgern – sofern diese bei der Hallen-DM Ende Februar in Leipzig auf der langen Mittelstrecke starten. So befindet sich der Deutsche Hallenrekordler Homiyu Tesfaye (LG Eintracht Frankfurt) nach einer Verletzung noch im Aufbautraining, Florian Orth (LG Telis Finanz Regensburg) und Timo Benitz (LG farbtex Nordschwarzwald) waren zuletzt auf den langen Cross-Strecken am Start und sind auch Kandidaten für die 3.000 Meter.

Über Kenia nach Amsterdam

Im Sommer 2016 wird sich Patrick Zwicker allerdings wieder den 800 Metern widmen. Sein Ziel: die Bestzeit von 1:46,04 Minuten steigern: „Ich bin gesund durch die Vorbereitung gekommen, war keinen Tag krank. Darum traue ich mir das auch zu.“ Gelingt ihm das, dürfte er auch die Norm für die EM in Amsterdam (Niederlande) Anfang Juli unterbieten. Diese stand 2014 bei 1:46,25 Minuten, zwei Jahre zuvor bei 1:46,40 Minuten. „Amsterdam ist mein Ziel für 2016“, schaut Patrick Zwicker voraus. Aufgrund des frühen EM-Termins ist die Hallen-WM Mitte März in Portland (USA) für ihn kein Thema. Schließlich soll es im April wieder in die Höhe gehen. Die Läufer-Hochburg Iten in Kenia ist das Ziel.

Mit dem größten Sportereignis im kommenden Jahr – die Olympischen Spiele Mitte August in Rio de Janeiro (Brasilien) – beschäftigt sich Patrick Zwicker hingegen (noch) nicht. Nach der 2014 schlussendlich vergeblichen Hatz nach der EM-Norm will er sich nicht zu sehr unter Druck setzen. Denn Stürze und Rückschläge – 2014 bremste ihn eine Blutvergiftung aus – hat das Mittelstrecken-Talent zuletzt einige einstecken müssen. Nun will er auf der Rundbahn wieder mit Zeiten überzeugen. Doch am Ende lässt er sich noch einen Satz entlocken, der nach Attacke klingt: „Flagstaff hat den anderen 800-Meter-Jungs gezeigt, dass mit mir wieder zu rechnen ist.“

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