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Richard Ringer versöhnt mit Achterbahn-Saison

Eigentlich war es das perfekte Jahr für Richard Ringer: Er wurde insgesamt zum siebten Mal Deutscher Meister, holte bei den Europameisterschaften seine erste internationale Medaille. Eine starke Saison! Wären da nicht diese Olympischen Spiele gewesen. In Rio, bei seiner Olympia-Premiere schied der 27-Jährige im Vorlauf aus und ging im Anschluss ungewöhnlich hart mit sich ins Gericht. Dennoch: Mit etwas zeitlichem Abstand kann er dieser Achterbahn-Saison mit ihren Auf und Abs viel Gutes abgewinnen.
Alexandra Dersch

Bis zum 17. August war es ein Jahr ganz nach seinem Geschmack. Bei der EM in Amsterdam (Niederlande) hatte sich Richard Ringer mit Bronze über 5.000 Meter die schon lange verdiente Medaille bei einem internationalen Großereignis geschnappt. Zwei Bestleistungen hatte der Athlet des VfB LC Friedrichshafen bis dato 2016 aufgestellt (1.500 m: 3:38,83 min; 3.000 m: 7:46,59 min), bei der DM in Kassel das Gold-Triple über 5.000 Meter perfekt gemacht und sich für seine ersten Olympischen Spiele qualifiziert. Doch dann kam der besagte 17. August.

14:05,01 Minuten brauchte er an diesem Tag über 5.000 Meter. „Ich schäme mich so für diese nicht vorhandene Leistung“, schreibt Richard Ringer im Anschluss auf seiner Facebook-Seite. Im Stadion selber wollte er gar mit keinem Pressevertreter sprechen. „Ich musste erstmal allein mit meiner Traurigkeit sein.“ In neutralen Zahlen ausgedrückt: Richard Ringer blieb an jenem Abend in Rio 55 Sekunden über seiner Bestleistung, als 39. Läufer hatte er keine Chance auf das Finale. Heute, einen Monat nach Rio, ist die Enttäuschung abgeklungen.

„Das Finale wäre so oder so schwer geworden, aber an dem Tag hat mir einfach zusätzlich übelst die Kraft gefehlt“, sagt Richard Ringer. Inzwischen kennt er auch die Gründe dafür. Ein Magendarm-Infekt setzte ihn kurz nach dem Rennen für mehrere Tage Schachmatt. „Zwei Wochen nach dem Rennen hatte ich noch Schmerzen in den Beinen“, erinnert er sich. Das ungewohnte Essen, die doppelte Belastung mit EM und Olympischen Spielen („Nach der EM bin ich mental in ein kleines Loch gefallen“) und die große Aufmerksamkeit im Vorfeld der Spiele („Olympia sagt halt jedem etwas“) – es war wohl eine Kombination aus vielen Faktoren, die seinem Körper zusetzte, so dass er an diesem Tag nicht zu gewohnter Höchstleistung im Stande war.

Ersehnte und verdiente Medaille

Inzwischen weiß Richard Ringer, der wohl selbst sein schärfster Kritiker ist: „Was in diesem Jahr wirklich gezählt hat, war die EM-Medaille.“ Denn die Bronzemedaille von Amsterdam strahlt hell. Zweimal zuvor (EM 2014: 4. Platz; Hallen-EM 2015: 5. Platz) war er knapp an einer Medaille vorbeigelaufen – dabei waren sich die Experten schon lange einig, dass in Richard Ringer das Potential für das Podium schlummert. Eine Prognose, die der Läufer Anfang Juli diesen Jahres auch erfüllte.

In einem nie dagewesen engen Zieleinlauf entschied das Fotofinish für Bronze zugunsten von Richard Ringer. „Da hat es sich ausgezahlt, dass wir in dieser Saison verstärkt auf kürzere Distanzen gesetzt haben, um an meiner Sprintfähigkeit auf den letzten Metern zu arbeiten.“ In 13:40,85 Minuten stand er zeitgleich mit Sieger Ilias Fifa und dem zweitplatzierten Adel Mechaal (beide Spanien) auf dem Podest. Nur eine Hundertstel dahinter blieb dem Norweger Henrik Ingebrigtsen der undankbare vierte Platz.

Lockerer Sieg beim Tübinger Stadtlauf

Einen schönen Saisonabschuss bescherte sich der Friedrichshafener am vergangenen Wochenende selbst. In 29:51 Minuten gewann der 27-Jährige als erster Deutscher nach Dieter Baumann (1997) den 23. Tübinger Erbe-Lauf über 10 Kilometer. „Das war locker“, sagte Richard Ringer später, trotz des hügeligen Profils der Strecke. Das Laufgefühl, das Vertrauen in die außergewöhnliche Fähigkeit des eigenen Körpers ist zurück. „Rio, das war nur ein Lauf.“ Ein Lauf, der nun abgehakt und Vergangenheit ist. In knapp drei Wochen beginnt die Vorbereitung der neuen Saison.

Und in der will Richard Ringer zusammen mit seiner Trainingsgruppe um Coach Eckhardt Sperlich und dessen Sohn und EM-Zehnten über 5.000 Meter, Martin Sperlich, neue Wegen gehen. Erstmals steht Ende Oktober ein dreiwöchiges Trainingslager in der Höhe von Flagstaff (USA) an. „Ich bin gespannt, wie mir das bekommt“, sagt Richard Ringer.

Eine ernsthafte Cross-Saison kommt daher zu früh, was ihn aber wohl nicht davon abhalten wird, bei seinem Lieblings-Cross in Tilburg (Niederlande) an der Startlinie zu stehen. „Das nehme ich aus dem Training heraus mit.“ Stattdessen plant Richard Ringer eine Hallen-Saison bevor die Konzentration dann voll auf der WM-Saison liegt. Eine Saison, in der es unterm Strich auch wieder deutlich mehr „Ups“ als „Downs“ geben soll.

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