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Wintertraining: Experten-Tipps für die dunklen Monate

Kühle Temperaturen, Wind, Regen und vielleicht sogar Schnee – das Wintertraining ist für die DLV-Athleten kein Zuckerschlecken. Dazu kommen Tempo- und Dauerläufe und intensives Krafttraining. In den nächsten Monaten werden die körperlichen Voraussetzungen für sportliche Höchstleistungen im Sommer geschaffen. Wobei es darauf ankommt und was es zu beachten gilt – Bundestrainer und Experten aus Physiotherapie, Psychologie und Medizin des DLV-Kompetenzteams haben den Durchblick.
Pamela Ruprecht

„Augen zu und durch. Einfach anfangen, einfach machen“, rät der Leitende DLV-Verbandspsychologe Dr. Michael Gutmann, wenn es um den immer schwer fallenden Einstieg ins Aufbautraining geht. Bei der Planung und Gestaltung des Trainings ist es förderlich, eigene Ziele und Visionen neu auszurichten und die einzelnen Teile des Wintertrainings im Austausch mit dem Trainer zu verstehen. „Wenn man verstanden hat, wofür die Inhalte sind, und wenn ich das will, weil es meinen Zielen entspricht, dann kann ich mich auch motivieren“, erklärt Dr. Gutmann die sogenannte intrinsische Motivation aus Sicht des Athleten.

So lange und so viel wie möglich im Freien trainieren, (fast) egal welches Wetter, dazu raten die Experten allesamt. Das härtet ab, stärkt das Immunsystem und schont bei 200- und 400-Meter-Läufen die Gelenke vor extremen Kräften, die in der schrägen Kurve der Hallenbahn auf den Körper wirken. Wer um diese Jahreszeit draußen zum Training geht, muss angesichts des kühlen Wetters aber auf ein paar mehr Dinge achten als im warmen Sommer.

Aufwärmen ist das Stichwort: Die Gefahr von Zerrungen ist momentan groß, daher ist ausgiebiges Einlaufen und Dehnen angesagt, damit die Muskulatur auf Temperatur und Länge kommt und auf ruckartige Bewegungen vorbereitet ist. „Nach der langen Pause ist die Kontraktionsfähigkeit noch nicht gegeben“, erzählt DLV-Physiotherapeut Michael Holzner. In der kalten Hose einen 100-Meter-Sprint hinlegen ist also nicht ratsam. Der Körper muss an extreme und schnellkräftige Belastungen erst wieder gewöhnt werden.

Intensitäten

So stehen anfangs Serienläufe mit nicht-maximaler Geschwindigkeit auf dem Programm. Typische Tempolauf-Serien der Langsprinter mit anfänglich 60 bis 70 Prozent Intensität sind zweimal 5x400 Meter, im Kurz-Sprint geringere Umfänge wie 10x200 Meter. Wichtig ist, nicht das gleiche Training vom Vorjahr zu wiederholen. „Man muss die Einheiten in Intensität oder Umfang verändern. Gleiches Training heißt keine Entwicklung“, sagt der Leitende DLV-Bundestrainer Sprint/Langsprint Volker Beck.

„Ich bin ein Fan des Trainings in der Natur, zum Beispiel von profilierten Trainingsformen im Wald, wie Berganläufe, wo die Laufkraft sowie die aerobe und anaerobe Entwicklung vorangetrieben wird“, berichtet Volker Beck. Der Leitende Bundestrainer hat in seiner Trainingsgruppe die Beobachtung gemacht, dass es mehr Infekte gab, wenn er das Training im Herbst früh in die Halle verlegt hat.

Kraftkreise

Zur Vorbereitung der Belastungsverträglichkeit und des speziellen Krafttrainings, das gegen Ende des Jahres startet, wird in den Disziplingruppen derzeit durch vielseitiges Training ein hoher Fitnesszustand angestrebt. Beliebtes Mittel: Zirkeltraining oder modern „Workout“. Zehn bis fünfzehn verschiedene Stationen mit je zehn bis 20 Wiederholungen pro Übung und insgesamt drei bis vier Durchgängen. „Das sind schon Belastungen, wo man über eine Stunde zusammenkommt und sehr viel schwitzt und Wasser verliert, das ist aber auch Sinn und Zweck der ganzen Geschichte“, sagt der Leitende Bundestrainer Wurf Jürgen Schult über die Kraftkreise der Werfer. Der Körper soll in Schuss kommen.

Geworfen werden kann im Winter aus Wurfhäusern, in Netze, mit Kugeln oder Medizinbällen. Im Mittelpunkt steht aber der athletische Aufbau. Dazu gehören für die Werfer auch längere Dauerläufe im Freien. „Die meisten Werfer laufen natürlich ungern“, gesteht Jürgen Schult. Deswegen gibt es alternative Trainingsformen wie Fußball, Basketball, Radfahren oder Inline Skating, mit denen das Herz-Kreislauf-System ebenfalls in Schwung kommt und andere Muskelgruppen als beim Werfen gefordert werden, da diese wiederum die großen Muskelgruppen beim Wurf unterstützen.

Warmhalten

Während die Werfer überwiegend in Halle und Kraftraum trainieren, zieht es viele Athleten an die frische Luft. Geht es nach draußen, rät der Leitende DLV-Verbandsphysiotherapeut Raimond Igel zur Mitnahme von warmen Getränken, zum Beispiel Tee mit Ingwer. „Nicht allein infolge eines reduzierten Durstgefühls wird bei Kälte die Notwendigkeit der Flüssigkeitsaufnahme häufig unterschätzt“, sagt DLV-Verbandsarzt Prof. Dr. Andreas Nieß. Bei trockener Kälte sind sogar größere Tröpfchen-Verluste über die Atmung zu erwarten.

Darüber hinaus kann die Kälte für Lunge und Haut gewissen Stress bedeuten. Sportkleidung ist gefragt, die warm hält und den produzierten Schweiß nach außen transportiert. Freie Hautareale wie Ohren oder Finger sollten zusätzlich geschützt werden. Ein Schal als Mundschutz kann bei Ausdauerathleten die Einatmung der kalten Luft mindern. Während und nach dem Training sollte man aufpassen, dass man nicht auskühlt und sich so eine Erkältung einfängt.

Meist nur ein paar Tage im Jahr gibt es Schnee und Glatteis. Dann ist Vorsicht geboten, sich durch Hinfallen keine Verletzungen oder Wegrutschen keine Reizungen zu holen. „In diesen Fällen kann man ein Laufband nutzen oder in die Leichtathletik-Halle gehen“, sagt Pierre Ayadi. Der Nachwuchs-Bundestrainer (C-Kader männlich Langstrecke) will die Dortmunder Halle mit seinen Läufern aber nicht aus reiner Bequemlichkeit nutzen. Die Grundlagen-Ausdauer und Schnelligkeitsentwicklung lässt er am liebsten draußen trainieren.

Physio-Check

Wenn die Muskulatur nach einem harten Training ermüdet ist, braucht der Körper eine gute Regeneration. Das heißt viele Massagen und Besuche beim Physiotherapeuten. „Jetzt ist auch eine schöne Zeit für Ausgleichsübungen“, findet Michael Holzner. Gemeint sind Stabilisationsübungen für die seitliche Muskulatur etwa am Fuß oder Knie, die in der Leichtathletik verletzungsvorbeugend und leistungsfördernd wirkt.

Außerdem kann zu diesem Zeitpunkt ein Gesamt-Check beim Physio hilfreich sein: Wo lagen 2016 Probleme und mit welchen Schwerpunkten soll die Behandlung weitergeführt werden? Um Verletzungen in der laufenden Vorbereitung zu minimieren, meint Raimond Igel: „Enorm wichtig ist, dass man manche Übungen nicht alleine macht und sofort reagiert und kommuniziert, wenn es irgendwo zwickt.“ Auch die von zahlreichen Athleten mitgeführte „Black Roll“ sollte nicht fehlen, sie hilft bei kleineren Schmerzen, die verklebte Struktur freier und mobiler zu machen und somit im Trainingsprozess bleiben zu können.

Mentales Training

Damit es die Sportler in der intensiven Vorbereitungszeit nicht übertreiben und Wohlbefinden und Gesundheit darunter leiden, ist ein gutes Erholungs-Belastungs-Management gefragt. Das, was die Athleten an Anstrengung auf sich nehmen, sollte durch Regeneration ausgeglichen werden. Eine Balance der körperlichen und psychischen Ressourcen führt dazu, dass es erholt und wieder fit in die nächste Trainingssession gehen kann.

Einen weiteren Tipp hat Dr. Michael Gutmann: „Die Winterzeit ist die beste Zeit für mentales Training.“ Der Athlet kann sich in der Wettkampf-freien Phase in Ruhe überlegen: An welchem technischen Detail möchte ich im Sommer noch feilen? Und in Abstimmung mit dem Trainer mit diesem technischen Ablauf gedanklich auseinandersetzen und womöglich ein Drehbuch schreiben – das nächste Saison bei der Verinnerlichung des Bewegungsablaufs helfen kann.

Die dunklen und kühleren Tage haben also auch so manchen Vorteil. Den widrigen Bedingungen und deren speziellen Anforderungen entfliehen die Top-Athleten regelmäßig mit Klima-Trainingslagern an Orte wie Stellenbosch in Südafrika. Mit ein bisschen Glück lässt sich aber auch hierzulande beim Wintertraining mal die Sonne blicken – obendrein ein leistungsförderlicher Vitaminbringer.

Wie sich die DLV-Athleten im Wintertraining quälen und motivieren, lesen Sie in unserer neuen Interview-Serie #Wintermotivation, die am Freitag mit Weitspringerin Alexandra Wester (ASV Köln) startet!

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