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Julian Wagner – Mit Vollgas in den WM-Sommer

Mit Vollgas an die deutsche Spitze: Erfurts Topsprinter Julian Wagner stürmte beim Anhalt-Meeting in Dessau mit 10,11 Sekunden zu einer neuen deutschen Jahresbestzeit. Am kommenden Wochenende steht er bei der Team-EM in Chorzów im deutschen Staffel-Aufgebot.
Sandra Arm

Paris, Turku, Dessau: Drei Wettkämpfe innerhalb von acht Tagen liegen hinter Julian Wagner (LC Top Team Thüringen). Standen zuletzt bei den Paavo Nurmi Games im finnischen Turku über 100 Meter noch 10,28 Sekunden auf der Uhr, folgte beim Anhalt-Meeting in Dessau die nächste Steigerung. Wie entfesselt flog der 25-Jährige über die Bahn und stürmte im Vorlauf in 10,11 Sekunden an die deutsche Sprint-Spitze.

„Ich bin froh, dass ich nach den Reisestrapazen zeigen konnte, dass ich noch da bin. Die Zeit und das Rennen waren schon sehr ordentlich. Ich habe meine persönliche Bestzeit eingestellt. Das war jetzt erst der Anfang, die Saison ist noch lang. Darauf können wir aufbauen“, sagt der EM-Halbfinalist.

Im Finale blieb eine weitere Steigerung aus. Er war im Startblock ein bisschen zu lange sitzen geblieben. Zwar konnte sich Julian Wagner hinten raus auf seine große Stärke den fliegenden Bereich verlassen und gut aufholen, für eine erneute Spitzenzeit und den Sieg reichte dies mit 10,23 Sekunden aber nicht. „Das gilt es in der nächsten Zeit noch ein bisschen zu festigen, dass der Start noch stabiler wird. Wir haben nämlich das Startmodell in Richtung Sommer ein wenig umgestellt. Wenn ich vorne richtig mitmache, dann kann es wie im Vorlauf richtig schnell werden.“

Biomechanik ermittelt Potenzial

Um Julian Wagner schnell zu machen, dafür ziehen alle an einem Strang. Ob Trainer Tobias Schneider, Physiotherapeut und Athletiktrainer Torsten Rocktäschel oder die medizinische Absicherung mit Dr. Lutz. Auch Julian Reus als ehemaliger Trainingspartner ist Teil des Teams. Zusammen wurde nach den letzten beiden Jahren, wo Julian Wagner bereits mit 10,11 und 10,12 Sekunden in die deutsche Spitze stürmte, in Richtung Sommersaison 2023 ermittelt, wo noch Potenzial liegt. 

„Wir haben uns auf die ersten 30 Meter konzentriert und geschaut, was macht die Weltspitze und was ist anders. Es zeigte sich in biomechanischen Auswertungen, dass die Weltspitze in der Schrittlänge deutlich kürzer und in der Schrittfrequenz deutlich höher ist als die deutschen Sprinter. Dieses Bild hat sich auch bei Julian gezeigt. Daraufhin haben wir versucht, daran zu arbeiten, dass er vorn weniger Schrittlänge, aber mehr Schrittfrequenz generiert“, erklärt sein Trainer Tobias Schneider die Ansätze. Julian Wagner ergänzt: „Nicht nur am Startbereich, auch im Krafttraining wurde darauf geachtet, mehr mit Frequenz zu trainieren.“

Begonnen wurde mit der Arbeit im Hinblick auf die Freiluftsaison. Genauso im vierwöchigen Trainingslager in Clermont (USA). Begleitet wurde dieser Schritt auch trainingswissenschaftlich durch Dr. Vladimir Muravev am Olympiastützpunkt Thüringen in Erfurt. Die ersten Ergebnisse lassen das Team zuversichtlich auf die kommenden Wettkämpfe blicken.

Zuschauer in Dessau beflügeln

„Die ersten Auswertungen in Dessau haben gezeigt, dass Julian erstmalig unter 3,90 Sekunden gestartet ist. Das ist sehr erfreulich. Daran gilt es nun weiter zu arbeiten“, sagt Tobias Schneider, der auf noch eine weitere Änderung im Vergleich zu den Vorjahren hinweist: „Wir haben nicht im Training die Maximalgeschwindigkeit ausgeprägt, sondern diese musste sich Julian zuletzt über die Wettkämpfe in Rehlingen, Regensburg, Turku und Dessau holen. Das hat wie zuletzt in Dessau gut geklappt.“

Einen kleinen Anteil an dieser Spitzenzeit aus dem Vorlauf hatten obendrein die Zuschauer. „Die Atmosphäre im Stadion war schon sehr schön. Das durfte ich bereits in der Halle wie beim ISTAF Indoor in Berlin oder beim Erfurt Indoor erleben, wenn die Zuschauer richtig Stimmung machen – das beflügelt schon ein bisschen. Bei mir im Finale in Dessau leider dann nicht mehr, aber ich war mit dem Ergebnis aus dem Vorlauf sehr zufrieden“, blickt Julian Wagner zurück.

Aber auch voraus auf die nächsten Stationen: Beginnend mit einem DLV-Staffelstart bei der Team-EM in Chorzow (Polen) am kommenden Wochenende. Für einen Einzelstart über 100 Meter kam seine Spitzenzeit ein paar Tage zu spät. „Ich freue mich auf die Staffel. Dort gilt es erstmal, sehr gut zu laufen und ordentlich Punkte für das Team zu sammeln. Ich hoffe, es sind alle im Team fit, dass wir am Ende eine ordentliche Zeit stehen haben.“

Über Chorzów zur DM in Kassel

Am wohlsten fühlt sich der Thüringer beim Staffellauf auf der Position zwei. „Das ist eine Zwischenposition, und auch mit etwa 120 Metern die längste Strecke. Meine Stärke ist einfach der fliegende Bereich, wo sie auf dieser Position am besten zum Tragen kommt.“ Auf Chorzow folgt ein Einzelstart beim Meeting in La Chaux-de-Fonds (Schweiz; 2. Juli) – und dann steht bereits der nationale Höhepunkt mit den Deutschen Meisterschaften in Kassel (8./9. Juli) bevor. „Ich will jetzt nochmal gute Wettkämpfe abliefern und das verbessern, was ich in Dessau falsch gemacht habe, um in Richtung DM anzugreifen.“ 

Dafür hat er beim Anhalt-Meeting den Grundstein gelegt und sich mit seiner Spitzenzeit noch dazu in die DM-Favoritenrolle gelaufen. Diese Entwicklung freut nicht nur ihn selbst. „Wir sind alle sehr, sehr froh im Team, dass es ihm jetzt im dritten Jahr in Folge gelungen ist, solch eine Zeit zu genieren. Auch mit dieser Stabilität. Das ist ebenfalls sehr wichtig, um sich nicht nur im Einzel, sondern auch für die Staffel zu positionieren“, sagt sein Trainer. Für Julian Wagner kann also ruhig so weitergehen – nämlich mit Vollgas in die nächsten Rennen.

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