| Masters-Leichtathletin des Jahres 2022

Melitta Czerwenka-Nagel: „Der Sport hält mich jung“

Melitta Czerwenka-Nagel gehört zu den schillerndsten und markantesten Sportlerinnen der Leichtathletik-Masters-Szene. Die bald 93-jährige Vorzeigeathletin aus dem Saarland hat trotz ihres Alters nichts von Ehrgeiz, Willensstärke und Motivation verloren. Die 12-fache Masters-Weltrekordlerin ist mit ihrem positiven Denken ein Vorbild für jüngere Generationen. Viele sagen Melitta Czerwenka-Nagel nach, dass sie die Ewige Jugend in ihren Genen mit sich trägt. Deshalb kommt das Votum „Leichtathletin des Jahres" im Bereich Masters nach 2021 auch für die Community keinesfalls überraschend. Im Interview spricht die Saarländerin über Sport als Jungbrunnen, ihre Motivation und die Ästhetik beim Laufen.
Jörg Valentin

Frau Czerwenka-Nagel, wo erreichen wir Sie denn gerade? Hoffentlich haben wir Sie nicht vom Leichtathletiktraining abgehalten?

Melitta Czerwenka-Nagel:
Nein, nein, derzeit muss ich mich in Sachen Ausdauertraining noch zurückhalten. Im Spätsommer wurde bei mir Bluthochdruck festgestellt und die Mediziner haben mir geraten, läuferisch kürzerzutreten, bis sich die Symptome gebessert hätten. Nur zügiges Walking war mir seitdem erlaubt. Aber nun hat sich die Situation gebessert, und sollten sich bei der Kontrolle in der Kardiologie keine gravierenden Einschränkungen ergeben, dann kann ich zeitnah wieder mit dem Laufen starten.

Da wird Sie sicher die Nachricht positiv überraschen und vielleicht fördert das auch zusätzlich ihren Heilungsverlauf: Sie sind nach 2021 von der Leichtathletik-Community und einer Expertenjury zur „Leichtathletin des Jahres" im Bereich Masters gewählt worden.

Melitta Czerwenka-Nagel:
Wirklich? Das kann ich gar nicht glauben. Das macht mich stolz und ich danke allen, die mich unterstützt haben. Das hätte ich angesichts der leistungsstarken Konkurrenz für unmöglich gehalten. Aber gleichzeitig ist es auch Ansporn für mich weiterzumachen und nicht den Kopf in den Sand zu stecken. Der Sport hält mich schließlich jung (lacht dabei laut).

Frau Czerwenka-Nagel, Sie werden jetzt bald 93 Jahre alt. Das ist ein Alter, wo andere in ihrem Wirkungskreis zunehmend eingeschränkt sind. Und Sie laufen Wettkämpfe, sammeln Masters-Weltrekorde wie am Fließband ein und haben noch jede Menge sportlichen Ehrgeiz. Wo nehmen Sie nur die Kraft, Energie und Willen her?

Melitta Czerwenka-Nagel:
Meine Empfehlung: Sporttreiben, solange es geht. Aber das ist natürlich nicht alles: Trotz meines Alters versorge ich mich noch selbst, koche gesund und fahre auch noch Auto. Und mein sportlicher Ehrgeiz ist weiterhin ungebrochen. Ich glaube, das alles hält einen jung und mobil. Vielleicht habe ich auch einfach nur gute Gene. Der alte Leitspruch "Wer rastet, der rostet" trifft es im Kern.

Wer Sie bei der Leichtathletik-Hallen-EM 2022 im portugiesischen Braga bewundern durfte, der wird sich eingestehen müssen. Das sieht noch echt gut aus, wie sich Melitta Czerwenka-Nagel auf der Rundbahn bewegt. Ist Ästhetik beim Laufen Ihnen sehr wichtig?

Melitta Czerwenka-Nagel:
Das sehen Sie ganz richtig. Wenn man mir nachsagt, Melitta, das sieht nicht mehr gut aus, das hat nichts mehr mit Laufen zu tun, dann würde ich von heute auf morgen meine sportlichen Ambitionen beenden. Das ist für mich selbstverständlich und da gibt es auch keine zwei Meinungen. Auch wenn ich merke, dass meine Leistungen derart nachlassen, dass es keinen Sinn mehr macht. Ich scheue mich nicht, Konsequenzen zu ziehen. Beweisen muss ich niemandem mehr etwas. Aber solange es mir weiter Spaß macht, werde ich Wettkämpfe bestreiten.

Wie sehr motiviert Sie dann das Votum „Masters-Leichtathletin des Jahres", weiterhin dem Laufsport die Treue zu halten?

Melitta Czerwenka-Nagel:
Das spornt mich zusätzlich an. Ich scharre ohnehin schon mit den Hufen, nach meiner Krankheit endlich wieder mit dem Laufen starten zu können. Mit dem schnell Gehen und zusätzlich mit Krafttraining habe ich mich einigermaßen fit gehalten, aber das Laufen kann es nicht ersetzen. Und meine Ziele habe ich auch nicht aus den Augen verloren. Sollte es Sinn machen, würde ich sogar noch bei der Masters-Hallen-WM im polnischen Torun starten. Man soll ja niemals „nie!“ sagen.

Was hat für Sie mehr an Bedeutung? Ist es die Rekordjagd oder die Jagd nach Meistertiteln?

Melitta Czerwenka-Nagel:
Wenn ich ehrlich bin, dann sind es schon die Meisterschaften, die für mich das Salz in der Suppe sind. Der direkte Kontakt zu meinen Mitstreiterinnen und das Gefühl, sich mit ihnen messen zu dürfen, ist für mich immer noch etwas Besonderes. Wenn neben einem Titel noch ein Rekord herausspringt, dann sage ich natürlich nicht nein.

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