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Jacqueline Otchere – Die Senkrechtstarterin

Viele neue, junge Gesichter haben bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg ihren ersten nationalen Titel bei den Erwachsenen geholt. Aber auch schon bekanntere Namen werden in der Serie auf leichtathletik.de diesmal vorgestellt, sogar ein Diamond League-Sieger. Heute: Stabhochspringerin Jacqueline Otchere.
Jan-Henner Reitze

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail jacqueline-otchere>Jacqueline Otchere
MTG Mannheim

Jahrgang 1996
1,67 Meter

Stabhochsprung

Bestleistung: 4,60 Meter (2018)

Erfolge:

Deutsche Meisterin 2018

Der Senkrechtstart ist ein häufig bemühtes sprachliches Bild, nicht immer passend. Ganz anders bei Jacqueline Otchere. Auf sie trifft diese Beschreibung absolut zu. Nicht nur, weil sich die 22-Jährige in ihrer Disziplin Stabhochsprung senkrecht in die Luft katapultiert, sondern auch, wenn man ihre Entwicklung in den vergangenen drei Jahren betrachtet.

2016 lag sie in der DLV-Bestenliste nicht unter den Top 40. 2017 folgte schon eine Verbesserung auf Rang zwölf, 2018 dann bis ganz nach vorne an die Spitze. Ebenso deutlich der Aufstieg in der Weltbestenliste (2016: Rang 778; 2017: Rang 108; 2018: Rang 23). Ihre ersten deutschen Meistertitel in der U23 und anschließend bei den Aktiven, sowie die ersten internationalen Starts beim Athletics World Cup und der Heim-EM in Berlin, unterstreichen den Durchmarsch aus der „Regionalliga“ in die erweiterte internationale Spitze.

Frühe Erfolge ohne Stab

Die rasante Steigerung erklärt sich damit, dass Jacqueline Otchere erst vor gut drei Jahren mit dem Stabhochsprung begonnen hat und dafür gute Grundlagen wie Sprintfähigkeit und Sprungkraft mitbrachte. Mit der Leichtathletik begonnen hatte sie schon viel früher, im Alter von acht Jahren gemeinsam mit ihren Brüdern Julian und Colin beim ASV Eppelheim bei Heidelberg.

Dank starker Leistungen im Sprint und Sprung stand die damalige Schülerin in den Altersklassen W14 und W15 jeweils auf dem Treppchen der Deutschen Blockmeisterschaften. Durch die Erfolge rückte der Leistungsgedanke neben dem Spaß an der Bewegung mehr in den Fokus. Recht bald wechselten die Geschwister dann zur MTG Mannheim, wo Jacqueline weiter Sprint- und Sprungdisziplinen trainierte.

„In diesen Jahren lief es nicht ganz so gut. Mir ist es nicht gelungen, mich für Deutsche Jugendmeisterschaften zu qualifizieren“, erinnert sich die heutige Top-Athletin. Internationale Starts waren zu diesem Zeitpunkt nur ein Traum weit im Hinterkopf. Beispielsweise blieb die Weitsprung-Bestleistung aus dem Sommer 2011 (5,90 m) über Jahre unerreicht.

Unglücklicher Zufall führt zur heutigen Spezialdisziplin

Die Wende brachte eine Schienbeinverletzung, wegen der Jacqueline Otchere 2015 nicht mit ihrer damaligen Gruppe ins Trainingslager fahren konnte. Stattdessen nahm Bruder Julian, der schon länger Stabhochsprung trainierte, seine Schwester mit in seine Trainingsgruppe, die in der Heimat blieb (<link news:64282>hier lesen Sie eine ausführliche Geschichte dazu). Der 20-Jährige steht mit seiner Bestleistung aus diesem Jahr von 5,36 Metern vor dem Durchbruch in die DLV-Spitze. Und seine Schwester Jacqueline entdeckte ebenso bei Trainer Alexander Rupp ihre Leidenschaft für den Stabhochsprung, auch wenn der Neuanfang nicht leicht war.

„Ich habe ein <link https: www.instagram.com p bohzrgcfbfz _blank>Video von meinem ersten Hallen-Wettkampf auf Instagram gepostet. Der Sprung ist technisch alles andere als professionell“, erzählt die Leichtathletin heute mit einem Lächeln. „Mein Trainer Alexander Rupp hat dennoch Talent in mir gesehen, an mich geglaubt und immer weiter mit mir gearbeitet. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.“ Nach zwei „Lehrjahren“ in der neuen Disziplin mit Höhen um 3,60 Meter begann der zu Anfang beschriebene Senkrechtstart.

Egal ob Landesmeisterschaft oder EM, die Aufgabe ist immer die gleiche

Die EM-Norm (4,45 m) hatte sich das Trainer-Athleten-Duo nach der Steigerung auf 4,30 Meter im Jahr 2017 für die abgelaufene Saison zum Ziel gesetzt. Dass diese Höhe beim Titelgewinn bei der U23-DM in Heilbronn Ende Juni erstmals liegen blieb und die nationale Konkurrenz eher überraschend schwach in die Saison startete, brachte die Nominierung für den ersten Einsatz im Nationaltrikot beim Athletics World Cup in London (Großbritannien). Mit Bestleistung von 4,60 Meter bewies Jacqueline Otchere dort, dass sie aus dem Holz einer Hochleistungssportlerin geschnitzt ist und sich von langer Anreise und starker Konkurrenz nicht aus der Ruhe bringen lässt.

„Egal, ob ich trainiere oder bei einem hochkarätig besetzten Wettkampf starte, ich springe immer mit den gleichen Stäben. Es gibt immer eine Anlage und eine Anlaufbahn. Die Aufgabe ist immer die gleiche“, erklärt die Stabhochspringerin ihre Herangehensweise, die ihr Trainer Alexander Rupp mitgibt. Mit dieser Einstellung ging es auch bei den Deutschen Meisterschaften erneut über 4,45 Meter, die zum Titel reichten. Beim dritten Versuch an 4,55 Metern landete die Siegerin von Nürnberg unglücklich auf der Latte. Dieser Sturz behinderte die Vorbereitung auf die Heim-EM, wo 4,35 Meter im Dritten ein Fehlversuch zu viel fürs Finale waren.

„Dennoch war es ein super Sommer voller positiver Überraschungen, ein voller Erfolg für mich und meinen Trainer“, fasst die 22-Jährige zusammen, die neben dem Sport an der Uni Heidelberg Biowissenschaften studiert und unter anderem durch das Spitzensport-Stipendium Metropolregion Rhein-Neckar unterstützt wird.

Langfristiger Plan statt Druck

In der momentan anlaufenden Wintervorbereitung möchte das Duo vor allem weiter an der Technik arbeiten. Ziel ist es auch, den Anlauf im kommenden Sommer um zwei weitere Schritte auf 14 Schritte zu verlängern. Auch in der Halle möchte Jacqueline Otchere ihre Technik unter Wettkampfbedingungen weiter voranbringen.

Ein Start bei der Hallen-EM in Glasgow (1. bis 3. März) steht nicht ganz oben auf der Liste der Ziele, ist aber gleichzeitig nicht ausgeschlossen. „Ich mache mir keinen Druck. Wir verfolgen einen langfristigen Plan, der auf die Olympischen Spiele ausgerichtet ist“, sagt die Deutsche Meisterin.

Und so euphorisch die Entwicklung in den vergangenen beiden Jahren auch gelaufen ist, durch ihren ungeraden Weg weiß die EM-Teilnehmerin, dass Erfolg nicht selbstverständlich ist. Sie kennt es auch, jahrelang auf eine neue Bestleistung zu warten. Mit 6,07 Metern ist ihr übrigens zum Saisonauftakt 2018 auch im Weitsprung wieder eine Steigerung gelungen. Ob also Geduld gefragt ist oder, ganz im Gegenteil, die Fähigkeit trotz unerwarteter Höhenflügen auf dem Teppich zu bleiben, Jacqueline Otchere kann beides. Beste Voraussetzungen für die weitere Karriere.

Video U23-DM:<link video:18496> Jacqueline Otchere greift mit Bestleistung nach EM-Ticket

Das sagt Bundestrainer Stefan Ritter:

Jacqueline hat in den vergangenen Jahren eine enorme Steigerung ihrer Bestleistung von 3,71 Meter auf 4,60 Meter gezeigt, womit sie sich in diesem Jahr als beste deutsche Springerin für die EM qualifizieren konnte. Mit ihrer PB beim World Cup in London hat sie gezeigt, dass sie auch in der Lage ist, ihre Leistung abzurufen, wenn es wichtig ist. Leider verhinderte eine unglückliche Landung bei der DM in Nürnberg eine optimale Vorbereitung auf die EM in Berlin. Am Ende scheiterte Jacqueline bei ihrem ersten Einsatz bei einer internationalen Meisterschaft dann sehr knapp am Finale. Trotzdem können sie und ihr Trainer Alexander Rupp sehr zufrieden mit dem Jahr 2018 sein.

Jacqueline ist eine sehr athletische Stabhochspringerin. Sie hat hervorragende Sprungkraftwerte und Kraftwerte. Im technischen Bereich zeichnet sie ihre starke Einstich-Absprungphase aus. Hier kann sie sehr viel Energie aus ihrem Anlauf in den Sprung mitnehmen. Eine große Reserve liegt in ihrer Anlauflänge. Sie hat ihren Anlauf in diesem Jahr auf 12 Schritte verlängert. Die Weltspitze läuft zwischen 16 und 18 Schritten an. Weitere Reserven liegen in der Aufrollphase. Hier kann sie durch besseres Arbeiten am Stab noch mehr Energie für ihren Flug herausarbeiten.

Jacqueline ist eine junge Springerin und hat eine erstaunliche Leistungsentwicklung gezeigt. Ich traue ihr natürlich eine weitere Steigerung ihrer Bestleistung zu. Allerdings bin ich der Meinung, dass das Ziel sein muss, weiter an ihren Leistungsreserven zu arbeiten und sich ein konstantes Niveau um 4,60 Meter zu erarbeiten. Dann sollte es möglich sein, dass Jacqueline 2020 und mehr noch bis 2024 um die großen internationalen Aufgaben mitspringen kann.

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