Die Wettkampfsaison 2019 ist Geschichte. Ein langes Jahr, ein spannendes Jahr Leichtathletik liegt hinter uns. Der Höhepunkt? Zweifelsohne die WM in Doha. Doch auch in der Halle und bei den internationalen Nachwuchs-Meisterschaften machten die deutschen Athleten von sich reden. Wir blicken in unseren jährlichen Disziplinanalysen zurück und ziehen Bilanz. Heute: der Speerwurf der Frauen.
Fazit des Bundestrainers
Mark Frank, wie fällt Ihre Bilanz für das WM-Jahr 2019 aus?
Mark Frank:
Die Bilanz fällt grundsätzlich positiv aus. Christin Hussong hat sich weiter entwickelt und auf einem Weltklasse-Niveau von 65+ stabilisiert. Annika Fuchs hat einen kometenhaften Aufstieg hingelegt – eine Steigerung von knapp sieben Metern in einem Jahr ist nicht alltäglich. Bei der WM hätten wir uns natürlich eine Medaille gewünscht. Mit einem Wurf ähnlich dem aus der Qualifikation wäre an dem Tag auch Gold möglich gewesen. Im Finale fehlte aber ein wenig die Lockerheit aus der Quali. Körperlich war Christin auf den Punkt fit, die Vorbereitung war sehr gut. An der Stelle auch nochmal ein großes Lob an Trainer und Vater Udo Hussong. Aber auf diesem hohen Niveau entscheiden Kleinigkeiten, und aus bereits genanntem Grund hat es dann knapp nicht zu Edelmetall gereicht. Man darf aber nicht vergessen: Der vierte Platz war Christins bestes WM-Ergebnis.
Annika Fuchs hat ihre Aufgabe, die U23-EM, mit Bravour gelöst. Die WM war dann ein Bonbon, und auch da hat sie nicht enttäuscht. Kurz vor Doha haben sich bei ihr kleine technische Fehler eingeschlichen, die bis zur WM nicht vollständig behoben werden konnten. Dennoch: Ich bin sehr zufrieden mit ihrer Saison. Auch weil mit ihr die Konkurrenzsituation in Deutschland angekurbelt wird. Hinter Christin Hussong und Annika Fuchs klafft aktuell leider eine Lücke. Dana Bergrath war verletzt und hatte mit technischen Probleme zu kämpfen. Christine Winkler konnte ihre und meine Erwartungen leider auch nicht erfüllen. Ursache scheint eine Fußverletzung gewesen zu sein, die aber mittlerweile auskuriert ist.
Aber mich stimmt positiv, dass auch aus der Jugend einige Talente nachrücken. Wir hatten drei Mädchen im Finale der U20-EM. Ich hoffe, dass sie die Lücke zu Annika und Christin bald schließen können. Der Speerwurf der Frauen – er lebt.
Was war für Sie das ganz persönliche Highlight?
Mark Frank:
Bei dieser Frage schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Einmal das des Bundestrainers, aber auch das des Heimtrainers. Ich will das Highlight nicht immer nur an Medaillen festmachen. Vielmehr ist der Weg das Ziel, die Medaille ist im besten Fall das Ergebnis. Aber natürlich waren der vierte Platz von Christin und die Goldmedaille von Annika die Highlights.
Was für mich aber mindestens genauso wertvoll ist, ist der Weg dahin, die Zusammenarbeit mit den Athletinnen und ihren Heimtrainern. Wenn wir im Austausch sind, uns darüber gemeinsam weiter entwickeln und die erarbeiteten Ansätze im Training und Wettkampf fruchten, erfüllt mich das mindestens genauso wie eine Medaille. Die ist dann das Ergebnis des eingeschlagenen Weges.
Aus Heimtrainersicht war der sechste Platz von Julian Weber ein tolles Ergebnis, welches sich aus nicht ganz einfachen Umständen entwickelt hat. Aber auch die Arbeit mit meiner ganzen Trainingsgruppe hat mich erfüllt. Ich investiere viel Herzblut in die Arbeit mit den Athleten und wenn ich dann sehe, sie entwickeln sich und belohnen sich für ihre Arbeit, dann gibt mir das ganz viel zurück. Im besten Fall springt dabei eine Medaille heraus, wie eben bei Julia Ulbricht, die sich mit Silber bei der U20-EM glänzend präsentiert hat.
Worin sehen Sie die Aufgaben und Ziele für die kommende Saison mit den Olympischen Spielen in Tokio und der EM in Paris?
Mark Frank:
Natürlich möchte ich, dass wir erfolgreich bei den Olympischen Spielen abschneiden. Eine Medaille durch Christin muss unser Ziel sein. Annika traue ich durchaus den Sprung ins Finale zu. Voraussetzung ist natürlich, dass beide Damen gesund bleiben und eine zielgerichtete Vorbereitung absolvieren können. Außerdem gibt es noch eine EM, bei der wir selbstverständlich auch vorn dabei sein wollen.
Um die Ziele zu erreichen, werden wir weiter akribisch arbeiten und versuchen, vorhandene Reserven zu nutzen. Ein wichtiger Baustein dabei ist die enge Zusammenarbeit mit dem IAT in Leipzig. Stefan Erlewein betreut uns über das ganze Jahr hervorragend und liefert wichtige biomechanische Parameter, die unerlässlich für die Weiterentwicklung der Athletinnen sind.
Weiterhin wäre es wünschenswert, wenn sich die nachrückenden jungen Damen gut weiter entwickeln, um den Anschluss zügig herzustellen und die Grundlage für eine erfolgreiche U23-EM zu legen. Diese findet in zwei Jahren statt. Auch dort wollen wir wieder erfolgreich abschneiden.
Internationale Erfolge 2019
Medaillen | (Weitere) Final-Platzierungen | |
---|---|---|
WM | – | 4. Platz: Christin Hussong |
U23-EM | Gold: Annika Fuchs | – |
U20-EM | Silber: Julia Ulbricht | 6. Platz: Leonie Tröger; 8. Platz: Elisabeth Hafenrichter |
EYOF | – | 9. Platz: Tjara Hsu |
Die deutschen Top Ten 2019
Speerwurf Frauen
Weite | Name | Jahrgang | Verein |
---|---|---|---|
66,59 m | Christin Hussong | 1994 | LAZ Zweibrücken |
63,68 m | Annika Marie Fuchs | 1997 | SC Potsdam |
55,72 m | Leonie Tröger | 2000 | Hallesche LAF |
55,55 m | Julia Ulbricht | 2001 | LAV Rostock |
55,38 m | Christine Winkler | 1995 | SC DHfK Leipzig |
55,16 m | Dana Bergrath | 1994 | TSV Bayer 04 Leverkusen |
54,08 m | Lea Wipper | 2001 | SC DHfK Leipzig |
53,71 m | Christina Kiffe | 1992 | ASC Darmstadt |
52,52 m | Elisabeth Hafenrichter | 2000 | LG Stadtwerke München |
51,92 m | Charlotte Wissing | 1997 | TSV Bayer 04 Leverkusen |
Statistik – Das sagen die Zahlen
Das deutsche Top-Niveau: Speerwurf Frauen
Jahr | < 61,40 (WM-Norm 2017) | Schnitt Top 3 | Schnitt Top 5 | Schnitt Top 10 |
---|---|---|---|---|
2005 | 2 | 65,10 | 62,21 | 59,23 |
2006 | 2 | 64,39 | 62,68 | 59,83 |
2007 | 3 | 66,26 | 63,96 | 60,89 |
2008 | 4 | 68,07 | 64,98 | 60,49 |
2009 | 4 | 66,58 | 64,49 | 60,83 |
2010 | 3 | 66,66 | 64,25 | 59,85 |
2011 | 2 | 65,01 | 62,83 | 59,70 |
2012 | 3 | 65,05 | 62,68 | 59,67 |
2013 | 3 | 66,12 | 63,01 | 59,63 |
2014 | 3 | 64,69 | 61,91 | 58,65 |
2015 | 4 | 66,09 | 63,95 | 58,92 |
2016 | 4 | 65,54 | 63,44 | 58,93 |
2017 | 2 | 62,58 | 59,62 | 55,27 |
2018 | 2 | 63,47 | 60,50 | 56,92 |
2019 | 2 | 61,99 | 59,38 | 56,43 |
Entwicklung der internationalen Jahresbestleistungen
Jahr | Deutschland | Europa | Diff. | Welt | Diff. |
---|---|---|---|---|---|
2005 | 70,03 (C. Obergföll) | 70,03 (C. Obergföll) | 0,00 | 71,70 (Menendez/CUB) | 1,67 |
2006 | 66,91 (C. Obergföll) | 66,91 (C. Obergföll) | 0,00 | 66,91 (C. Obergföll) | 0,00 |
2007 | 70,20 (C. Obergföll) | 70,20 (C. Obergföll) | 0,00 | 70,20 (C. Obergföll) | 0,00 |
2008 | 69,81 (C. Obergföll) | 72,28 (Spotakova/CZE) | 2,47 | 72,28 (Spotakova/CZE) | 2,47 |
2009 | 68,59 (C. Obergföll) | 68,92 (Abakumova/RUS) | 0,33 | 68,92 (Abakumova/RUS) | 0,33 |
2010 | 68,63 (C. Obergföll) | 68,89 (Abakumova/RUS) | 0,26 | 68,89 (Abakumova/RUS) | 0,26 |
2011 | 69,57 (C. Obergföll) | 71,99 (Abakumova/RUS) | 2,42 | 71,99 (Abakumova/RUS) | 2,42 |
2012 | 67,04 (C. Obergföll) | 69,55 (Spotakova/CZE) | 2,51 | 69,55 (Spotakova/CZE) | 2,51 |
2013 | 69,05 (C. Obergföll) | 70,53 (Abakumova/RUS) | 1,48 | 70,53 (Abakumova/RUS) | 1,48 |
2014 | 67,32 (L. Stahl) | 67,99 (Spotakova/CZE) | 0,77 | 67,99 (Spotakova/CZE) | 0,77 |
2015 | 67,69 (K. Molitor) | 67,69 (Molitor/GER) | 0,00 | 67,69 (Molitor/GER) | 0,00 |
2016 | 66,41 (C. Hussong) | 67,11 (Andrejczyk/POL) | 1,70 | 67,11 (Andrejczyk/POL) | 1,70 |
2017 | 65,37 (K. Molitor) | 68,43 (Kolak/CRO) | 3,06 | 68,43 (Kolak/CRO) | 3,06 |
2018 | 67,90 (C. Hussong) | 67,90 (Hussong/GER) | 0,00 | 68,92 (Mitchell/AUS) | 1,02 |
2019 | 66,59 (C. Hussong) | 67,40 (Ogrodnikova/CZE) | 0,81 | 67,98 (Lyu/CHN) | 1,39 |
Das fällt auf:
- Christin Hussong ist unangefochten die Nummer eins in Deutschland. Nachdem im vergangenen Jahr mit Katharina Molitor eine weitere langjährige Größe im deutschen und auch internationalen Speerwurf ihre Karriere beendet hat, ist die amtierende Europameisterin nun auch auf Weltbühne das Gesicht des deutschen Frauen-Speerwurfs. Sie hat diese Rolle auch bei der WM in Doha gut ausgefüllt – ihre erste Medaille im Weltvergleich war zum Greifen nah.
- Mit Annika Fuchs konnte eine weitere Athletin in diesem Sommer die 60-Meter-Marke deutlich übertreffen und erstmals auch WM-Luft schnuppern. Eine wertvolle Erfahrung für die erst 22-Jährige, die in diesem Sommer zur U23-Europameisterin aufgestiegen war und viel Potenzial für diese Disziplin mitbringt.
- Die Lücke, die hinter Annika Fuchs klafft, ist jedoch deutlich. Fast acht Meter trennen die Potsdamerin von der drittplatzierten Leonie Tröger, die allerdings auch erst Jahrgang 2000 und somit ein Talent für die Zukunft ist.
- Denn dass Deutschland über große Speerwurf-Talente verfügt, das wurde auch in diesem Sommer bei den verschiedenen Nachwuchsmeisterschaften klar. Neben Annika Fuchs ragte auch Julia Ulbricht mit Silber bei der U20-EM heraus.
- Die Weltspitze ist ganz nah, oder anders gesagt: Christin Hussong ist mittendrin. Das zeigt nicht nur Platz vier bei der WM in Doha. Auch die reinen Zahlen mit Blick auf die gesamte Saison untermauern diesen Eindruck. 67,98 Meter als Weltjahresbestleistung – das ist eine Weite, die Christin Hussong auch im Hinblick auf die kommende Olympia-Saison nicht schockt.
Die Disziplin-Analysen im Überblick:
Sprint – Männer
Sprint – Frauen
Langsprint – Männer
Langsprint – Frauen
Mittelstrecke – Männer
Mittelstrecke – Frauen
Langstrecke – Männer
Langstrecke – Frauen
Hürdensprint – Männer
Hürdensprint – Frauen
Langhürden –- Männer
Langhürden – Frauen
Hindernislauf – Männer
Hindernislauf – Frauen
Gehen – Männer
Gehen – Frauen
Hochsprung – Männer
Hochsprung – Frauen
Stabhochsprung – Männer
Stabhochsprung – Frauen
Weitsprung – Männer
Weitsprung – Frauen
Dreisprung Männer
Dreisprung – Frauen
Marathon – Männer
Marathon – Frauen
Kugelstoßen – Männer
Kugelstoßen – Frauen
Diskuswurf – Männer
Diskuswurf – Frauen
Hammerwurf – Männer
Hammerwurf – Frauen
Speerwurf – Männer