| Ernährung

Du bist, was du isst – ein Fazit

Lowcarb, alkalisch, vegan, paleo und so weiter und so fort: Ernährung ist ein großes Thema. Erst Recht unter Leistungssportlern, die in der Ernährung ein wichtiges Element sehen, um mit ihrem Körper Höchstleistungen vollbringen zu können. Dabei ist die Ernährung so individuell wie die Athleten selber. Zum Abschluss unserer Serie zieht Prof. Dr. Anja Carlsohn, Professorin für Ernährungswissenschaft/Ökotrophologie an der HAW Hamburg und Leiterin der AG Sporternährung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), ein Fazit und zeigt grundlegende Ernährungsempfehlungen auf.
Prof. Dr. Anja Carlsohn / alex

Das eigene Ernährungsverhalten kann einen großen Einfluss auf die Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Leistungsentwicklung von Athleten haben. Insbesondere in der Leichtathletik mit den verschiedenen Disziplingruppen sind die Ernährungsbedarfe und -bedürfnisse jedoch sehr heterogen, sodass es keinen „Masterplan“ gibt, der exakt auf alle Athleten passt. Das zeigen die Essbiografien der Athleten aus den vergangenen Wochen („Du bist, was du isst“) eindrucksvoll.

„Rahmenernährungsempfehlungen“ für die Leichtathletik

Dennoch lassen sich bei der Ernährung – vergleichbar mit dem Training und den fundierten Rahmentrainingsplänen – grundlegende disziplinspezifische Ernährungsempfehlungen zusammenfassen. Diese wissenschaftlich fundierten „Ernährungsrahmenpläne“ stehen auf der Seite der IAAF zum Abruf bereit. Auch die Arbeitsgruppe Sporternährung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung hat aktuell Positionen zu Grundlagen der Sporternährung verabschiedet.

Ähnlich wie bei den Rahmentrainingsplänen handelt es sich hier aber nur um eine Orientierung. Die unterschiedlichen Ressourcen, physiologischen Anforderungen, verschiedenen Trainingsinhalte und -akzente bedürfen eines Finetunings für den einzelnen Athleten. Hier darf und sollte im Vorfeld von Wettkampf-Höhepunkten ausprobiert und getestet werden, was einem individuell bekommt, was einem schmeckt und wie man es im Alltag langfristig umsetzen kann. Dabei sollten drei wesentliche Kriterien der Ernährung unbedingt beachtet werden:

  1. bedarfsdeckend und ausgewogen
  2. evidenzbasiert und sicher
  3. individualisiert und periodisiert

Bedarfsdeckend und ausgewogen

Die individuell bedarfsdeckende Energie- und Nährstoffzufuhr im Wochendurchschnitt ist für die Gesunderhaltung und damit die Leistungsbereitschaft von Athleten eine selbstverständliche Grundvoraussetzung. Dies gelingt am einfachsten, wenn man Lebensmittel hoher Qualität aus allen sieben Lebensmittelgruppen in den eigenen Speiseplan integriert.

Athleten, die sich an Einrichtungen des deutschen Spitzensports verpflegen (z.B. Verpflegung in Häusern der Athleten, Eliteschulen des Sports oder Bundesleistungszentren), sollten bei der Küchenleitung ruhig nachfragen, ob diese sich am „Leistungskatalog für die Verpflegung in Einrichtungen des deutschen Spitzensports“ orientiert und darum bitten, die entsprechenden Aufsteller mit den Ernährungsinformationen zur besseren Orientierung an der Ausgabe zu platzieren. Der Leistungskatalog ist von Ernährungsexperten der Olympiastützpunkte so zusammengestellt, dass Athleten verschiedener Sportarten sich individuell bedarfsdeckend und abwechslungsreich ernähren können und das Verpflegungsangebot dieser Einrichtungen somit das Training optimal unterstützt.

Evidenzbasierte und sichere Sporternährung

Ernährung wird in den verschiedenen, vor allem in den sogenannten „neuen“ Medien und sozialen Netzwerken häufig thematisiert, wie etwa aktuell häufig eine lowcarb, vegane oder auch ketogene Ernährung. Leider entspricht nicht alles, was man im weltweiten Netz, in populärwissenschaftlichen Zeitschriften oder Büchern lesen kann, den physiologischen Tatsachen. Sportler sollten sich daher immer kritisch fragen: Gibt es wirklich überzeugende Belege dafür, dass diese Ernährungsweise wirkt? Gibt es gut gemachte Studien, die belegen, dass ich mit dieser Ernährungsweise Gewicht verlieren, Muskelmasse aufbauen kann bzw. schneller laufe, höher springe, weiter werfe? Und ist das Ganze auf mittelfristige Sicht auch gesundheitlich sicher? Teilweise werden Ernährungsweisen oder Diäten angepriesen, bei denen man nicht davon ausgehen kann, dass sie auch wirklich sicher sind, also keinen gesundheitlichen Schaden anrichten.

Gleiches gilt übrigens für Nahrungsergänzungsmittel. Die meisten Produkte können die Erwartungen der Verbraucher nicht erfüllen, einige von ihnen sind zusätzlich noch mit erheblichen Gesundheitsrisiken behaftet. Obwohl zum Beispiel pharmakologische Substanzen in Nahrungsergänzungsmitteln nicht erlaubt sind, warnt das Europäische Schnellwarnsystem (RASFF) regelmäßig vor verunreinigten und somit gesundheitsgefährdenden Nahrungsergänzungsmitteln. In Europa sind derzeit etwa 25 Prozent der freiverkäuflichen Nahrungsergänzungsmittel mit pharmakologischen Substanzen verunreinigt. Sportler sollte sich daher sorgfältig überlegen, ob sie wirklich ein Nahrungsergänzungsmittel nutzen möchten. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat hierfür u.a. Entscheidungsbäume entwickelt, die helfen, gemeinsam mit einem qualifizierten Ernährungsexperten abzuwägen, ob ein Nahrungsergänzungsmittel in spezifischen Situationen sinnvoll sein könnte.

Ein zumindest minimiertes Risiko für Verunreinigungen mit Substanzen, die zu einem positiven Dopingtest nach Verzehr von Nahrungsergänzungsmitteln führen können, haben Sportler, wenn sie ausschließlich Produkte getesteter Chargen z.B. der Kölner Liste verwenden. Noch sicherer ist eine ausgewogene, bedarfsdeckende Ernährung, die Nahrungsergänzungsmittel unnötig macht. Qualifizierte Ernährungsberater im Sport können euch bei der Mahlzeitenplanung unterstützen. Um sicherzugehen, dass die Ernährungsempfehlungen auch wirklich funktionieren und der Gesundheit und damit Leistungsbereitschaft nicht schaden, sollten Sportler ruhig kritisch nachfragen, wer sie da hinsichtlich Ernährungsfragen berät. Wir lassen unser Auto vom Kfz-Mechaniker und unsere Zähne vom Zahnarzt checken – also bitte unsere Ernährung auch vom qualifizierten Ernährungsexperten und nicht vom Metzger des Vertrauens oder selbsternannten Ernährungsexperten.

Ernährungsberater und -beraterinnen im Spitzensport sollten daher nicht nur über eine einschlägige berufliche Qualifikation verfügen (z.B. Diätassistent, Oecotrophologe, Ernährungswissenschaftler oder Ernährungsmediziner), sondern auch über praktische Erfahrung in der Sporternährung verfügen (z.B. Zusatzqualifikation IOC Diploma Sports Nutrition, Fortbildungen der AG Ernährungsberatung an den OSPs). Da sollten Athleten bei ihren Beratern, Vereinen, Verbänden und den betreuenden Olympiastützpunkten ruhig kritisch nachfragen. Wer noch auf der Suche nach individueller Ernährungsbetreuung ist, findet übrigens auf der DOSB-Seite Sporternährung unter „Ernährungsberater*n finden“ eine Liste mit Experten der Sporternährung einschließlich Kontaktdaten.

Individualisierte und periodisierte Ernährung

Wie eingangs beschrieben, können standardisierte, sportartspezifische Ernährungsempfehlungen nur als „Rahmenpläne“ fungieren. Jeder Athlet hat genau wie alle anderen Menschen auch seine individuellen geschmacklichen Vorlieben, vielleicht auch familiäre Gewohnheiten wie die Tasse heißen Kakaos nach ausgiebigem Herumtoben in der Kindheit im Winter, die heute als – übrigens optimales – Regenerationsgetränk immer noch gern getrunken wird. Hinzu kommen Umweltfaktoren wie die räumliche Nähe zwischen Trainingsstätte und Verpflegungsangeboten, die Qualität dieser Verpflegungsangebote, finanzielle Ressourcen, unterschiedliche Ernährungsziele, verschiedene Fähigkeiten und Lust, selbst zu kochen usw. Hier sollte jeder Athlet für sich schauen, wie er seine individuellen Ernährungsziele mit dem, was er an Voraussetzungen und Umweltfaktoren mitbringt, mit dem Trainingsalltag in Einklang bringt.

Noch schwieriger wird es, wenn Athleten periodisiert, d.h. in Trainingszyklen mit unterschiedlichen Belastungsschwerpunkten und -umfängen trainieren. Dann sollte selbstverständlich auch die individuelle Ernährung an die Trainingsperiodisierung angepasst werden, um die Trainingsziele optimal zu unterstützen und eine bedarfsdeckende Ernährung zu gewährleisten. Auch hierbei können sich Athleten von Experten der Sporternährung mit einschlägiger Qualifikation unterstützen lassen.

Du bist, was du isst:

Julian Reus
Alexandra Wester
Pamela Dutkiewicz
Marc Reuther
Kristin Pudenz

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