Am Freitagabend werden in Bergen (Norwegen) bei den U23-Europameisterschaften in zehn Disziplinen die Europameister-Titel vergeben. Hier lesen Sie von Wettbewerb zu Wettbewerb, wie die DLV-Athlet:innen in den Finals abgeschnitten haben.
Weibliche U23
100 Meter
Jolina Ernst sprintet auf Platz fünf
Beim ersten internationalen Einzelstart direkt ins Finale. Und dort auf Platz fünf: Jolina Ernst (TV Wattenscheid 01) hat sich am Freitagabend in Bergen teuer verkauft. Die Deutsche U23-Meisterin kam recht gut aus den Blöcken und mischte lange im Kampf um die vordersten Plätze mit. Auf den letzten Metern konnte die 21-Jährige dann nicht mehr ganz mithalten. In 11,54 Sekunden wurde sie bei erneut starkem Gegenwind von 1,3 Meter/Sekunde Fünfte.
Es siegte in 11,30 Sekunden die Tschechin Karolína Manasová. Bei exakt dieser Zeit steht die Bestzeit von Jolina Ernst, die jedoch bei den Windbedingungen diesmal für die DLV-Sprinterin außer Reichweite war. Silber und Bronze dürfen sich Nia Wedderburn-Goodison (Großbritannien; 11,38 sec) und Polyniki Emmanouilidou (Griechenland; 11,44 sec) umhängen.
„Fünfter Platz, das hört sich toll an!“, freute sich Jolina Ernst. „Hätte man mir das vor drei Monaten gesagt, hätte ich das nicht geglaubt, ich hatte ein Ödem im Fuß und habe erst vor drei Monaten mit dem Training angefangen. Das war mein erster internationaler Wettkampf, und ich konnte relativ gut im Finale mitlaufen. Mit dem Rennen bin ich trotzdem nicht ganz zufrieden, vielleicht wollte ich es am Ende zu sehr. Jetzt freue ich mich auf die Staffel, da wollen wir die Medaillen angreifen!“
10.000 Meter
Plätze zwei bis vier: 10.000-Meter-Trio begeistert mit Bestzeiten
Es regnete Bestzeiten im 10.000-Meter-Finale der U23-EM. Drei davon gingen an die deutschen Läuferinnen, von denen sich zwei mit einer Medaille belohnen konnten. Kira Weis führte das DLV-Trio mit Silber an, Bronze ergatterte Carolina Schäfer. Die dritte Deutsche Nele Heymann konnte sich über Platz vier freuen.
100 Meter Hürden
Freud und Leid
Glück und Pech lagen bei den beiden deutschen Hürdensprinterinnen nach dem Finale dicht beieinander. Für die Glücksmomente sorgte Amira Never (LAC Erdgas Chemnitz), die bei ihrem ersten internationalen Einsatz direkt ins Finale gesprintet war und sich dort über einen guten fünften Platz freuen durfte. Bei Gegenwind von 1,7 Metern/Sekunde gingen für sie 13,22 Sekunden in die Wertung ein. „Ich bin total zufrieden, Platz fünf ist super, das ist schon ein kleiner Traum!“, freute sie sich. „Die Zeit ist schwer zu bewerten, bei den Bedingungen, es ist ein Meisterschaftsrennen und da geht es um die Platzierungen. Wie das Rennen genau war, weiß ich gar nicht – ich kann mich gar nicht richtig dran erinnern.“
Auf Medaillenkurs hatte noch bis zur neunten Hürde Rosina Schneider (TV Sulz) gelegen. Die U20-Europameisterin erwischte anders als noch im Halbfinale einen starken Start und hielt sich auf Augenhöhe mit der Konkurrenz um Alicja Sielska (Polen) und Anna Toth (Ungarn). Dann jedoch strauchelte die 20-Jährige, rettete sich noch ins Ziel, doch die Medaillenchance war dahin. Mit 13,71 Sekunden wurde immerhin noch eine Zeit notiert.
„Ich hatte heute einen richtig guten Start, ich bin so gut reingekommen. Hinten habe ich gespürt, es geht um die Medaillen, da muss man dann auch Risiko gehen. Und dann war ich ein bisschen zu nah, da bin ich hängengeblieben, über die letzte Hürde bin ich nur noch drübergehüpft“, analysierte sie ihr Rennen. Die Medaillen, um die sie so lange mitgesprintet war, schnappten sich Alicja Sielska (12,91 sec), Anna Toth (13,02 sec) und Tereza Corejová (Slowakei; 13,05 sec).
Dreisprung
Ruth Hildebrand in starkem Feld Sechste
Unmittelbar nach ihrem Wettkampf überwog bei Dreispringerin Ruth Hildebrand (SCL Heel Baden-Baden) die Enttäuschung. Denn in einem Finale, in dem wie bereits in der Qualifikation der Wind stark von hinten wehte, waren von ihren sechs Versuchen drei ungültig. Und vor allem diese Sprünge zeigten: Für die Deutsche U23-Meisterin wäre noch mehr drin gewesen als Rang sechs und 13,53 Meter (+2,8 m/sec). Dennoch: Auch dieses Resultat ist ein Jahr nach ihrer schweren Knieverletzung bereits ein Fingerzeig, welch großes Potenzial in der 20-Jährigen steckt.
Die Medaillen wurden am Freitagabend für Weiten vergeben, die Ruth Hildebrand bislang noch nicht gesprungen ist: Alexia Ioana Dospin aus Rumänien siegte mit 14,05 Metern, Silber holte sich mit 13,93 Metern die Französin Clémence Rougier, Bronze die Serbin Aleksandrija Mitrovic (13,84 m). Die Bestleistung von Ruth Hildebrand steht seit der U23-DM bei 13,75 Metern. Die nächste Chance, diese Marke anzugreifen, bietet sich bei den Deutschen Meisterschaften in Dresden (31. Juli bis 3. August).
Hammerwurf
Aileen Kuhn krönt sich zur U23-Europameisterin
Auf Bronze folgt Gold: Zwei Jahre nach ihrer ersten U23-EM-Medaille schaffte Aileen Kuhn am Freitagabend in Bergen diesmal den Sprung ganz oben aufs Treppchen. Als Europas Jahresbeste angereist, machte sie mit neuer Bestleistung den Triumph perfekt.
Männliche U23
100 Meter
Heiko Gussmann schrammt am Podest vorbei
Als Nummer eins Europas angereist und nach starken Rennen in Serie war Heiko Gussmann (Sprintteam Wetzlar) unbestritten mit Ambitionen auf das Podium angereist. Doch schon in den Vorrunden wurde deutlich, dass der starke Gegenwind auf der Sprintbahn von Bergen für den leichtgewichtige Sprinter eine echte Herausforderung darstellt. Leider sollte sich das auch im Finale bewahrheiten: Noch bis etwa 70 Meter sprintete der Deutsche U23-Meister um die Medaillen mit, dann musste er drei Athleten ziehen lassen: Jeff Erius (Frankreich; 10,28 sec), Nsikak Ekpo (Niederlande; 10,30 sec) und Abel Jordan (Spanien; 10,31 sec).
Die Anzeigetafel spuckte als Zeit für Heiko Gussmann schließlich 10,39 Sekunden aus – und einen Gegenwind von 2,0 Metern pro Sekunde. „Die Bedingungen waren heute gegen mich“, musste er feststellen. „Trotzdem habe ich alles gegeben. Hintenraus wurde ich dann etwas fest.“
Platz acht gab es bei seiner internationalen Premiere für Emilio Gonzalez (LT DSHS Köln; 10,63 sec). „Mit dem Rennen an sich bin ich eigentlich ganz zufrieden, auch wenn die Zeit nicht mein Anspruch ist. Gestern nach dem Halbfinale waren meine Beuger aber schon sehr fest, und ich habe heute hintenraus gemerkt, dass sie sehr schnell ermüdet sind. Jetzt ärgere ich mich vielleicht noch ein bisschen, aber mit etwas Abstand werde ich das positiv einordnen. Umso heißer bin ich jetzt auf den Start mit der Staffel!“
110 Meter Hürden
Österreich feiert Gold, Manuel Mordi schmeißt sich ins Ziel
Das größte Strahlen war nach dem Hürdenfinale auf dem Gesicht zu Enzo Diessl zu sehen: Der Österreicher wurde in 13,46 Sekunden (-1,8 sec) als Europas Jahresbester (13,20 sec) seiner Favoritenrolle eindrucksvoll gerecht. Man kennt sich: Zu den ersten Gratulantinnen zählten am Rand der Laufbahn die deutschen Hürdensprinterinnen Rosina Schneider und Amira Never.
Manuel Mordi erwischte dagegen keinen so runden Lauf wie einige Stunden zuvor im Halbfinale – aber er kämpfte bis zum letzten Meter um die beste Platzierung und zog sich bei einem Sturz über die Ziellinie auch einige Schürfwunden zu. In 13,65 Sekunden reichte es zu Rang sechs. „Ich habe alles gegeben und nicht aufgegeben“, blickte er zurück und machte die Probleme im Rennen besonders hintenraus aus. Die Medaillen lagen nicht außer Reichweite: Silber und Bronze gingen an die Belgier Zeno van Neygen (13,54 sec) und Elie Bacari (13,56 sec).
Weitsprung
Simon Plitzko kommt nicht ins Fliegen
Wie weit es gehen kann, wenn er einen Versuch richtig trifft, unterstrich Anfang Juli sein erster Acht-Meter-Sprung in Ulm. Dieses Sprung- und Fluggefühl aber fehlte Simon Plitzko (TSG Bergedorf) in Bergen. Schon in der Qualifikation musste er mit 7,63 Metern Abstrich machen, im Finale lief dann gar nichts zusammen. Und nach 7,31 Metern im ersten Versuch sowie zwei ungültigen Sprüngen war bereits Endstation.
Ganz anders sah das bei Erwan Konaté aus: Der Franzose fügte seiner Medaillensammlung nach zwei U20-WM-Titeln 2021 und 2022 jetzt das erste Gold auf europäischer Ebene hinzu. Und das mit einem neuen U23-Rekord für Frankreich. Bei konstant starkem, aber regelkonformen Rückenwind wurde sein weitester Sprung mit 8,25 Metern vermessen. In einem hochklassigen Finale war dieser Sprung notwendig, um den Bulgaren Bozhidar Sarâboyukov (8,21 m) zu bezwingen, mit 7,97 Metern (+2,1 m/sec) kratzte dahinter auch der Finne Kasperi Vehmaa noch an der Acht-Meter-Marke.
Diskuswurf
DLV-Diskuswerfer stürmen das Podium von Bergen
Sie waren als Nummer eins, zwei und vier Europas aussichtsreich gestartet. Am Freitag brachte ihr Ausnahme-Können sogar alle Drei aufs Podest: Die deutschen Diskuswerfer haben bei den U23-Europameisterschaften in Bergen (Norwegen) Gold, Silber und Bronze abgeräumt. Erstmals schaffte es dabei Steven Richter auf ein internationales Podest – und das aufs oberste Treppchen!
Zehnkampf
Gold für die Schweiz, DLV-Trio dicht beisammen
Der Schweizer Andrin Huber hat sich am Donnerstag und Freitag mit neuer Bestleistung von 8.188 Punkten zum Zehnkampf-Europameister der U23 gekrönt. Er bezwang damit den Jahresbesten Jeff Tesselaar (Niederlande; 8.108 pt), der Silber holte. Auch auf den Plätzen drei und vier fiel die 8.000-Punkte-Marke, sie gingen an Antoine Ferranti (Frankreich; 8.032 pt) und Jonathan Hertwig Odegaard (Norwegen; 8.002 pt).
Mit Fred Isaac Fleurisson (Eintracht Frankfurt) konnte auch der DLV einen 8.000-Punkte-Zehnkämpfer in den Wettbewerb schicken. Dass es für ihn schwer werden würde, die Leistung von Bernhausen erneut abzurufen, hatte sich jedoch schon am Donnerstag angedeutet. Der Freitag startete zunächst mit einer starken Hürdenzeit unter 14 Sekunden (13,96 sec) aber ganz nach Wunsch, auch mit einer Diskus-Weite an die 40 Meter heran blieb er im Soll, dann ließ er aber wieder einige Punkte liegen, und die 1.500 Meter (5:10,19 min) sind und bleiben für Fred Isaac Fleurisson eine Qual. Mit 7.685 Punkten wurde er schließlich Neunter.
"Ich bin froh, dass ich durchgezogen habe. Der Zehnkampf hat auf jeden Fall Spaß gemacht, der zweite Tag hat auch gut angefangen. Der Diskuswurf ist noch ausbaufähig, aber da habe ich ein bisschen draufgepackt. Der Stabhochsprung [4,30 m] war dann eine Qual, da musste ich so viele Sprünge machen. Speer war solide, und die 1.500 sind einfach nicht meine Stärke."
Friedrich Schulze fährt zwei Einzelsiege ein
Nur wenige Punkte hinter Fleurisson beendete Friedrich Schulze (Königsteiner LV; 7.677 pt) seinen Zehnkampf auf Platz zehn, nur 31 Zähler fehlten zum Resultat von Bernhausen. Mit 46,52 Metern im Diskuswurf und 5,20 Metern im Stabhochsprung konnte er am Freitag sogar zwei Einzelsiege feiern."Die Vorfreude auf den Diskuswurf war eigentlich mein schönster Moment in diesem Wettkampf. Es ist beruhigend zu wissen, dass es da eine Disziplin gibt, auf die man bauen kann. Der Stabhochsprung war am schlimmsten und am schönsten zugleich. Der Wettbewerb hat sich extrem gezogen. Den Speerwurf konnten wir wegen Ellbogen-Problemen nicht so gut vorbereiten, die 1.500 Meter waren dann hart. Es war mein erster internationaler U23-Wettkampf, ich konnte viel lernen und bin zufrieden!"
Vollends glücklich war der dritte deutsche Starter Roman Jocher (SSV Ulm 1846), der mit 7.669 Punkten nur 19 Zähler unterhalb seiner Bestmarke einkam und Elfter wurde. Fast zwei Jahre lang hatte er vor diesem Sommer aufgrund von Verletzungsproblemen keinen Zehnkampf bestritten, jetzt rief er innerhalb von sechs Wochen zweimal Topleistungen ab – unter anderem eine 1.500 Meter-Bestzeit von 4:26,48 Minuten.
"Der Tag ist heute schön gestartet, über die Hürden habe ich noch mal gezeigt, woran wir in den letzten Jahren gearbeitet haben. Ich konnte ohne Angst an den Start gehen. Auch über den Speerwurf freue ich mich, überhaupt dort angekommen zu sein und nach acht Disziplinen noch werfen zu können. Über 1.500 Meter habe ich dann noch mal das Herz auf die Bahn gebracht. Wenn man da mittendrin ist, dann ist der Schmerz fast ausgeblendet. In Summe habe ich in den letzten zwei Wettkämpfen 13 Bestleistungen aufgestellt, in allen zehn Disziplinen!" Dass das möglich war, dafür dankte er auch dem Mehrkampf-Team, das ihn durch die zwei Tage getragen hatte: "Die Unterstützung hier war brutal!"