20.11.2016 | Analyse

Der große Disziplin-Check 2016 – Weitsprung Frauen

Christian Fuchs

Das Leichtathletik-Jahr 2016 mit dem Höhepunkt der Olympischen Spiele in Rio ist fast Geschichte. Athleten, Trainer und Fans haben Monate mit großen Erfolgen, aber auch Enttäuschungen hinter sich. Neben dem bunten Sportereignis in Brasilien fanden auch die Europameisterschaften in Amsterdam, die U20-WM in Bydgoszcz sowie die U18-EM in Tiflis mit starker DLV-Beteiligung statt. In unseren rückblickenden Disziplin-Analysen nehmen wir das Abschneiden der verschiedenen Disziplingruppen unter die Lupe. Heute: der Weitsprung der Frauen.

 

Der Moment des Jahres 2016

Die Saison von Malaika Mihambo (LG Kurpfalz) auf einen einzigen Moment des Jahres 2016 reduzieren zu wollen, erscheint schon ziemlich gewagt.

Trotzdem ist es ihr vierter Platz bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro (Brasilien), der eine besondere Anerkennung verdient. Die 22-Jährige kämpfte beim größten Sportereignis der Welt frech um die Medaillen mit, steigerte ihre Bestleistung auf 6,95 Meter und rief damit zum Höhepunkt ihre Leistung in beeindruckender Manier ab. Sie zeigte damit einmal mehr, dass sie auf den Punkt da ist. Es gilt überhaupt als die große Stärke der jungen Weitenjägerin, dass sie in solchen Augenblicken noch das Letzte aus sich herauskitzeln kann. Immer wieder wächst sie über sich hinaus und zwar genau dann, wenn es wirklich zählt.

So entstanden auch weitere starke Momente ihres Olympiasommers. Bei den Europameisterschaften in Amsterdam (Niederlande) gewann Malaika Mihambo mit 6,65 Metern Bronze, nachdem sie in der Qualifikation mit 6,76 Metern sozusagen in letzter Minute noch die Olympia-Norm geknackt und ihre Olympia-Premiere unter Dach und Fach gebracht hatte.

Zuvor konnte sie bei den Deutschen Meisterschaften in Kassel mit windunterstützten 6,72 Metern triumphieren und für einen ersten bemerkenswerten Moment ihrer Freiluftsaison sorgen. Bereits dieser Erfolg war hoch einzuschätzen, denn nach einer Verletzungsmisere im Winter hatte sie erst kurz vorher das Saisondebüt gegeben.

Die Top Drei

Malaika Mihambo

LG Kurpfalz, 22 Jahre
SB/PB: 6,95 m (2016)
DM: 1. Platz
EM: 3. Platz | OS: 4. Platz
Hallen-WM: kein Start
DLV-Jahresbestenliste: 2.
Europäische Bestenliste: 3.
Welt-Jahresbestenliste: 6.

Sosthene Taroum Moguenara

LAZ Saar 05, 27 Jahre
SB/PB: 7,16 m (2016)
DM: kein Start (verletzt)
EM: kein Start (verletzt) | OS: 10. Platz
Hallen-WM: kein Start
DLV-Jahresbestenliste: 1.
Europäische Bestenliste: 1.
Welt-Jahresbestenliste: 3.

Alexandra Wester

ASV Köln, 22 Jahre
SB/PB: 6,79 m (2016)
DM: 2. Platz
EM: 7. Platz |OS: 34. Platz (Qualifikation)
Hallen-WM: 6. Platz
DLV-Jahresbestenliste: 3.
Europäische Bestenliste: 10.
Welt-Jahresbestenliste: 18.

Die Hoffnungsträgerin

Sophie Weißenberg
SC Neubrandenburg, 19 Jahre
SB/PB: 6,49 m (2016)

Sophie Weißenberg ist schnell, ziemlich schnell für ihre erst 19 Jahre: In 11,65 Sekunden lief sie bei der U20-DM über 100 Meter zu Silber. Vor allem aber kann die Neubrandenburgerin diese Schnelligkeit auch in große Weiten ummünzen. So flog sie im Sommer zu einer neuen Bestweite von 6,49 Metern, aber auch zu Silber bei der U20-WM. Entsprechend beeindruckend ist auch ihre Leistungsentwicklung, die bereits jetzt neugierig darauf macht, wohin der Weg noch führen könnte.

Der Pechvogel

Melanie Bauschke
LAC Olympia 88 Berlin, 28 Jahre
SB: 6,70 m | PB: 6,83 m (2009)

Die großen Olympia-Hoffnungen von Melanie Bauschke platzten jäh. Anfang Juni erfüllte die Berlinerin in Oberteuringen mit 6,70 Metern die Olympia-Norm und es hätte noch deutlich weiter hinaus gehen können. Umso bitterer war dann der Bänderriss, den sie sich wenig später im Training zuzog. Nicht nur der Start bei den Deutschen Meisterschaften fiel damit aus, auch ihre erste Olympia-Teilnahme war außer Reichweite gerückt. Doch damit nicht genug: Als sie zum Saisonende beim heimischen ISTAF noch einmal zeigen wollte, was sie kann, fiel sie krankheitsbedingt wegen einem Infekt erneut aus.

Auch Sosthene Moguenara hatte dieses Jahr großes Pech. Nur kurz nach ihrem fantastischen Sprung auf 7,16 Meter zog sie sich bei Dreharbeiten für die Leichtathletik-EM 2018 in Berlin eine Fußverletzung zu. Sie schaffte es gerade noch so, für einen Start bei den Olympischen Spielen fit zu werden.

Internationale Top Acht-Platzierungen 2016

Olympische Spiele: 4. Platz Malaika Mihambo (6,95 m)
EM: 3. Platz Malaika Mihambo (6,65 m); 7. Platz Alexandra Wester (6,51 m)
Hallen-WM: 6. Platz Alexandra Wester (6,67 m)
U20-WM: 2. Platz Sophie Weißenberg (6,40 m), 6. Platz Anna Bühler (6,21 m)
U18-EM: 7. Platz Antonia Kohl (5,83 m)

Fazit des Bundestrainers

Ulrich Knapp, wie fällt Ihre Bilanz für das Olympia-Jahr 2016 aus?

Ulrich Knapp:

Ich bin mit dem Gesamtjahr sehr zufrieden. Wir hatten immer gehofft, für jedes Großereignis Teilnehmerinnen zu stellen und wenn möglich einen Finalplatz zu erreichen. Das haben wir durch Alexandra Wester bei der Hallen-WM geschafft, das haben wir im Prinzip in noch nie dagewesener Weise in Amsterdam geschafft mit drei unter den Top 10 inklusive einer Medaille von Malaika Mihambo und wir haben in Rio auch noch einmal zwei Finalteilnehmerinnen mit Malaika Mihambo und Sosthene Moguenara gehabt. Der einzige Wermutstropfen war vielleicht, dass mit Sosthene, Melanie Bauschke und Lena Malkus drei Leistungsträgerinnen verletzt waren und teilweise nicht mehr hundertprozentig fit an den Start gehen konnten.

Was war für Sie das ganz persönliche Highlight?

Ulrich Knapp:

Das Olympia-Ergebnis von Malaika Mihambo war etwas ganz, ganz Besonderes. Es kam bei ihr alles zusammen. Es war eine Weite, mit der man in vielen Jahren auch eine Medaille gemacht hätte. Für mich persönlich war auch der 7,16 Meter-Sprung von Sosthene unheimlich emotional und tiefgehend. Das würde ich deshalb fifty-fifty verteilen, weil ich mich bei beiden Wettkämpfen für die Athletinnen gleich stark gefreut habe.

Worin sehen Sie die Aufgaben und Ziele für die kommende Saison?

Ulrich Knapp:

Ich wünsche mir, dass wir bei allen internationalen Wettbewerben alle Startplätze besetzen und dass es uns gelingt, ein bis zwei Teilnehmerinnen in die jeweiligen Finals zu bringen. Im U23-Bereich sehe ich für die EM durchaus Kandidatinnen, die da eine Medaillenchance haben. Bei einer WM ist es natürlich schwerer. Dort kann man eine Bestleistung springen und es reicht trotzdem nicht für eine Medaille. Deshalb wäre es zunächst auch hier das Ziel, ein bis zwei Springerinnen ins Finale zu bringen. 

Statistik - Das sagen die Zahlen

Die zehn Jahresbesten

7,16 m – Sosthene Moguenara (LAZ Saar 05)
6,95 m – Malaika Mihambo (LG Kurpfalz)
6,79 m – Alexandra Wester (ASV Köln)
6,70 m – Melanie Bauschke (LAC Olympia Berlin)
6,63 m – Nadja Käther (Hamburger SV)
6,62 m – Claudia Rath (LG Eintracht Frankfurt)
6,59 m – Maryse Luzolo (Königsteiner LV)
6,56 m – Xenia Stolz (Wiesbadener LV)
6,49 m – Sophie Weißenberg (SC Neubrandenburg)
6,47 m – Anna Bühler (Unterländer LG)

Entwicklung des deutschen Spitzenniveaus

Das fällt auf

• Seit Heike Drechsler 1998 ist keine deutsche Weitspringerin so weit hinausgekommen wie Sosthene Taroum Moguenara in diesem Jahr
• Der Top-Ten-Schnitt hat sich in der Olympiasaison im Vergleich zum Vorjahr noch einmal um einen Tick verbessert
• Sosthene Taroum Moguenara hat im sechsten Jahr in Folge die 6,70 Meter übertroffen
• Im dritten Jahr in Folge gibt es mindestens vier deutsche Weitspringerinnen, die 6,70 Meter oder weiter hinaus geflogen sind

Entwicklung der internationalen Jahresbestleistungen

Das fällt auf

• Wie schon 2013 stellt Deutschland mit Sosthene Taroum Moguenara Europas beste Weitspringerin.
• In den letzten drei Jahren ist der Abstand zur Weltjahresbesten nie größer als zwanzig Zentimeter gewesen.
• Im sechsten Jahr in Folge stellen die USA die Nummer eins der Welt

Video-Clips

Kurpfalz-Gala: Sosthene Moguenara springt in neue Dimension
Hallen-DM: Alexandra Wester bestätigt ihre hervorragende Form
Berlin fliegt: Volle Punktzahl für Malaika Mihambo
ISTAF Indoor: Alexandra Wester segelt auf 6,95 Meter
PSD Bank Meeting Düsseldorf: Alexandra Wester überrascht in Weltklasse-Feld

Nachwuchs

U23-DM: Maryse Luzolo bestätigt Favoritenrolle
U20-DM: Anna Bühler siegt mit glänzender Serie
U16-DM: Denise Jaeschke dominiert den Weitsprung
Junioren-Gala: Sophie Weißenberg springt an die Spitze der Welt
Jugend-Hallen-DM: Abigail Adjei mit dem zweiten Titel

Die weiteren Disziplin-Checks 2016 im Überblick 

Männer – Sprint
Frauen – Sprint
Männer – Langsprint
Frauen – Langsprint
Männer – Mittelstrecke
Frauen – Mittelstrecke
Männer – Langstrecke
Frauen – Langstrecke
Männer – Hürdensprint
Frauen – Hürdensprint
Männer – 400 Meter Hürden
Frauen – 400 Meter Hürden
Männer – 3.000 Meter Hindernis
Frauen – 3.000 Meter Hindernis
Männer/Frauen – Gehen
Männer – Marathon
Frauen – Marathon
Männer – Hochsprung 
Frauen - Hochsprung 
Männer - Stabhochsprung 
Frauen - Stabhochsprung 
Männer - Weitsprung