| Analyse

Der große Disziplin-Check 2019 – Langhürden Frauen

Die Wettkampfsaison 2019 ist Geschichte. Ein langes Jahr, ein spannendes Jahr Leichtathletik liegt hinter uns. Der Höhepunkt? Zweifelsohne die WM in Doha. Doch auch in der Halle und bei den internationalen Nachwuchs-Meisterschaften machten die deutschen Athleten von sich reden. Wir blicken in unseren jährlichen Disziplinanalysen zurück und ziehen Bilanz. Heute: die 400 Meter Hürden der Frauen.
Alexandra Dersch

Fazit des Bundestrainers

Volker Beck, wie fällt Ihre Bilanz für das WM-Jahr 2019 aus?

Volker Beck:

Die Erwartungen im Vorfeld waren niedrig. Jackie Baumann hatte mit den Folgen einer schweren Verletzung, einem Wadenbeinbruch, zu kämpfen, Djamila Böhm und Christine Salterberg kämpften um Anschluss an die Spitze. Umso schöner ist die Entwicklung, die die Disziplin in diesem Sommer genommen hat. Carolina Krafzik hat eine enorm starke Leistung gezeigt. Ihr Trainer Werner Späth hatte mir schon länger prophezeit, dass er an ihre Stärke auf dieser Strecke glaubt, und er hat Recht behalten. Die Umstellung von den Kurzhürden auf die Langhürden ist nicht einfach, da hier ein ganz anderer Rhythmus gefordert ist. Bei den Deutschen Meisterschaften hat sie den perfekten Zeitpunkt getroffen, um ihr wahres Können zu zeigen. Auch ihre WM-Premiere hat sie mit dem Erreichen des Halbfinals mit Bravour bestanden. Sie ist eine sehr lebensbejahende, positive Athletin, die Arbeit mit ihr macht mir viel Freude und ich bin mir sicher, dass wir noch viel von ihr sehen werden.

Auch das Comeback von Jackie Baumann hat mich sehr gefreut. Sie hatte aufgrund ihrer Verletzung nur eine arg verkürzte Vorbereitungszeit, hat aber viel Energie und Willen in ihre Rückkehr gesteckt. Dass die Leistungsstabilität noch fehlte, ist vor dem Hintergrund ihrer Verletzung völlig normal und beunruhigt mich nicht.

Was war für Sie das ganz persönliche Highlight?

Volker Beck:

Das Highlight auf die gesamte Saison gesehen war der Aufstieg von Carolina Krafzik. Ihr Auftritt in Berlin war so erfrischend und so überraschend schnell, dass ich diese Leistung fast noch höher einschätzen möchte, als ihren tollen Vorlauf bei der WM. Die Leistungsexplosion kam genau zum richtigen Zeitpunkt.

Worin sehen Sie die Aufgaben und Ziele für die kommende Saison mit den Olympischen Spielen in Tokio und der EM in Paris?

Volker Beck:

International hat sich in diesem Jahr in dieser Disziplin an der Spitze viel getan. Dalilah Muhammad ist Weltrekord gelaufen. Dennoch: Die Zeiten zum Erreichen von internationalen Halbfinals sind stabil geblieben. Unser Ziel im kommenden Jahr ist es daher, zwei deutsche Athletinnen nach Tokio zu bringen. Caro und Jackie haben beide das Vermögen für die Olympischen Spiele und arbeiten auch entsprechend. Für Jackie ist es nun wichtig, gesund zu bleiben und konstant trainieren zu können. Caros Hauptaufgabe sehe ich in der Optimierung ihres Rennmodels.

Was die EM angeht, muss ich noch die Planungsgespräche mit den Athletinnen abwarten, sprich, wer plant mit beiden Großereignissen. Aber auch für Athletinnen wie Christine Salterberg oder Djamila Böhm ist Paris ein Thema.

Internationale Erfolge 2019

  Medaillen (Weitere) Final-Platzierungen
WM  –  –
U23-EM  –  –
U20-EM  –  –
EYOF  – 5. Platz Lara-Noelle Steinbrecher

Die deutschen Top Ten 2019

400 Meter Hürden

Zeit Name Jahrgang Verein
55,64 sec Carolina Krafzik 1995 VfL Sindelfingen
56,26 sec Jackie Baumann 1995 LAV Stadtwerke Tübingen
56,57 sec Christine Salterberg 1994 LT DSHS Köln
56,58 sec Djamila Böhm 1994 ART Düsseldorf
57,10 sec Karolina Pahlitzsch 1994 SV Preußen Berlin
58,02 sec Sylvia Schulz 1999 TSV Bayer 04 Leverkusen
58,42 sec Karoline Maria Sauer 1997 TSV Gomaringen
58,72 sec Lisa Marie Petkov 1996 LG Stadtwerke München
58,77 sec Lena Seifert 1997 LG Nord Berlin
58,91 sec Eileen Demes 1997 TV 1861 Neu-Isenburg

Statistik – Das sagen die Zahlen

Das deutsche Top-Niveau

Jahr < 56,00
(WM-Norm 2017)
Schnitt Top 3 Schnitt Top 5 Schnitt Top 10
2005 2 55,88 56,25 57,71
2006 1 56,02 56,54 57,59
2007 3 55,58 56,29 57,51
2008 1 56,69 57,16 57,69
2009 2 56,17 56,47 57,15
2010 1 56,21 56,49 57,37
2011 57,14 57,34 57,37
2012 57,01 57,29 57,84
2013 57,52 57,86 58,33
2014 56,70 57,07 57,85
2015 56,89 57,43 58,01
2016 57,02 57,38 57,85
2017 1 56,54 57,24 58,13
2018 57,12 57,62 58,47
2019 1 56,16 56,43 57,50

Jahresbestleistungen im internationalen Vergleich

Jahr Deutschland Europa Diff Welt Diff
2005 55,59 (C. Marx) 52,90 (Pechonkina/RUS) 2,69 52,90 (Pechonkina/RUS) 2,69
2006 54,80 (C. Marx) 53,14 (Nosova/RUS) 1,66 53,02 (Demus/USA) 1,78
2007 55,21 (U. Urbansky) 53,50 (Pechonkina/RUS) 1,71 53,28 (Williams/USA) 1,93
2008 55,73 (J. Tilgner) 53,84 (Danvers/GBR) 1,89 52,64 (Walker/JAM) 3,09
2009 55,71 (J. Tilgner) 53,95 (Morosanu/ROU) 1,76 52,42 (Walker/JAM) 3,29
2010 55,49 (F. Kohlmann) 52,92 (Antyukh/RUS) 2,57 52,82 (Demus/USA) 2,67
2011 56,97 (C. Klopsch) 53,29 (Hejnova/CZE) 3,68 52,47 (Demus/USA) 4,50
2012 56,27 (T. Kron) 52,70 (Antyukh/RUS) 3,57 52,70 (Antyukh/RUS) 3,57
2013 56,83 (C. Klopsch) 52,83 (Hejnova/CZE) 4,00 52,83 (Hejnova(CZE) 4,00
2014 56,02 (C. Klopsch) 54,39 (Child/GBR) 1,63 53,41 (Spencer/USA) 2,61
2015 56,55 (C. Klopsch) 53,50 (Hejnova/CZE) 3,05 53,50 (Hejnova/CZE) 3,05
2016 56,19 (J. Baumann) 53,55 (Petersen/DEN) 2,64 52,88 (Muhammad/USA) 3,31
2017 55,72 (J. Baumann) 53,93
(Hejnova/CZE)
1,79 52,64
(Muhammad/USA)
3,08
2018 56,54 (D. Böhm) 54,33 (Sprunger/SUI) 2,21 52,75 (McLaughlin/USA) 3,79
2019 55,64 (C. Krafzik) 54,06 (Sprunger/SUI) 1,58 52,16 (Muhammad/USA) 3,48

Das fällt auf:

  • Ein neues Gesicht belebt die Szene: Carolina Krafzik war die Entdeckung des Sommers über diese Strecke. Erst holte sie sich völlig überraschend Gold bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin, um danach bei ihrer WM-Premiere bis ins Halbfinale zu laufen. Ihre Bestzeit von 55,64 Sekunde ist die beste Zeit einer deutschen Athletin über die 400 Meter Hürden seit 2010. Der Umstieg von den Kurzhürden – er hat sich gelohnt. 
  • Jackie Baumann ist zurück: Die ehemalige Deutsche Meisterin konnte in diesem Sommer nach harter Verletzungspause ihr Comeback auf der Bahn feiern, auch wenn ihr aufgrund der langen Verletzungspause noch ein Stück fehlt zu alter Stärke.
  • Das Comeback von Jackie Baumann und der Aufstieg von Carolina Krafzik spiegelt sich auch in den Statistiken positiv wieder. Der Schnitt der besten drei Läuferinnen etwa liegt bei 56,16 Sekunden – zuletzt war dieser Wert im Jahr 2007 besser.
  • Der Altersdurchschnitt der besten zehn deutschen Hürdenläuferinnen liegt bei 23,2 Jahren. Mit 25 Jahren sind Christine Salterberg, Djamila Böhm und Karolina Pahlitzsch die ältesten Athletinnen, Jüngste ist mit 20 Jahren die Leverkusenerin Sylvia Schulz.
  • Deutlich dadrunter liegt noch Lara-Noelle Steinbrecher. Doch die 16-Jährige machte in diesem Sommer bereits von sich reden, als sie beim EYOF in Baku auf dem fünften Platz landete und so erste internationale Erfahrung sammeln konnte.
  • International bewegt sich der 400-Meter-Hürdenlauf aktuell auf einem nie da gewesenen Niveau. US-Girl Dalilah Muhammad verbesserte in diesem Jahr den Weltrekord gleich zweimal – zuletzt bei der WM in Doha auf 52,16 Sekunden. Die 29-Jährige holte bei der WM gleich zwei Goldmedaillen. Neben ihrem Einzelerfolg stand sie auch im erfolgreichen 4x400-Meter-Team ihres Landes.

Die Disziplin-Analysen 2019 im Überblick:

Sprint Männer
Sprint Frauen
Langsprint Männer
Langsprint Frauen
Mittelstrecke Männer
Mittelstrecke Frauen
Langstrecke Männer
Langstrecke Frauen
Hürdensprint Männer
Hürdensprint Frauen
Langhürden Männer

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