| Analyse

Der große Disziplin-Check 2019 – Hürdensprint Frauen

Die Wettkampfsaison 2019 ist Geschichte. Ein langes Jahr, ein spannendes Jahr Leichtathletik liegt hinter uns. Der Höhepunkt? Zweifelsohne die WM in Doha. Doch auch in der Halle und bei den internationalen Nachwuchs-Meisterschaften machten die deutschen Athleten von sich reden. Wir blicken in unseren jährlichen Disziplinanalysen zurück und ziehen Bilanz. Heute: der Hürdensprint der Frauen.
Svenja Sapper

Fazit des Bundestrainers

Rüdiger Harksen, wie fällt Ihre Bilanz für das WM-Jahr 2019 aus?

Rüdiger Harksen:

Leider sind in diesem Jahr Leistungsträgerinnen der vergangenen Jahre wie Pamela Dutkiewicz, Ricarda Lobe und Franziska Hofmann durch Verletzungen beziehungsweise Krankheiten ganz ausgefallen oder waren nur bedingt leistungsfähig. Unsere erfolgreichste Athletin der letzten zehn Jahre, Cindy Roleder, konnte sich klar in der Saison durchsetzen. Pech hatte Cindy im Halbfinale bei der WM in Doha, als sie an der ersten Hürde hängenblieb und den Kampf um den Finaleinzug nicht mehr aufnehmen konnte. Für den Finaleinzug wurden 12,65 Sekunden benötigt, diese Zeit musste noch nie bei einer internationalen Meisterschaft für die Finalqualifikation gelaufen werden.

Das hohe internationale Niveau und unser Verletzungspech bildeten einen krassen Gegensatz, daher fällt mein Fazit in diesem Jahr im Gegensatz zu den sehr erfolgreichen Vorjahren nicht erfreulich aus.

Was war für Sie das ganz persönliche Highlight?

Rüdiger Harksen:

Ein Highlight war für mich das sehr harmonische Team-Trainingslager unter erschwerten Bedingungen auf Okinawa (Japan) im April und Mai. Leider wurden bis auf Cindy die Athletinnen wegen der aufgetretenen Verletzungen in der Saison nicht für ihren großen Trainingsaufwand und ihre disziplinierte Arbeit belohnt.

Sehr erfreulich war, dass mit Gesa Tiede und Franziska Schuster zwei Nachwuchsathletinnen bei internationalen Nachwuchsmeisterschaften wieder Medaillen- beziehungsweise Final-Niveau erreichen konnten.

Worin sehen Sie die Aufgaben und Ziele für die kommende Saison mit den Olympischen Spielen 2020 in Tokio?

Rüdiger Harksen:

Die Reha-Zeit der angeschlagenen Spitzenathletinnen wurde erfolgreich abgeschlossen. Im Olympiajahr 2020 sollte an die Erfolge der vergangenen Jahre wieder angeknüpft werden können. Dazu muss es uns gelingen, die Athletinnen mit entsprechenden Regenerationsphasen und professionellem Gesundheitsmanagement durch die hohen Trainingsbelastungen zu führen, die zur Sicherung der internationalen Konkurrenzfähigkeit notwendig sind. Unsere Leistungsträgerinnen sind im besten Leistungsalter mit dem großen Ziel Olympische Spiele in Tokio.
Unsere sehr perspektivischen jungen Athletinnen sollten den nahtlosen Übergang in den U20- beziehungsweise U23-Bereich schaffen, sie sind die nächste Generation!

Internationale Erfolge

  Medaillen (Weitere) Final-Platzierungen
WM  –  –
Hallen-EM Silber: Cindy Roleder  –
U23-EM  –  –
U20-EM  – Platz 7: Gesa Tiede
EYOF Silber: Franziska Schuster  –

Die deutschen Top Ten 2019

Zeit Athletin Jahrgang Verein
12,76 sec Cindy Roleder 1989 SV Halle
12,91 sec Pamela Dutkiewicz 1991 TV Wattenscheid 01
13,18 sec Franziska Hofmann 1994 LAC Erdgas Chemnitz
13,24 sec Carolin Schäfer 1991 LG Eintracht Frankfurt
13,32 sec Neele Schuten 1999 TV Gladbeck 1912
13,33 sec Monika Zapalska 1994 TV Wattenscheid 01
13,42 sec Ricarda Lobe 1994 MTG Mannheim
13,43 sec Anne Weigold 1998 LG Mittweida
13,44 sec Anna Maiwald 1990 TSV Bayer 04 Leverkusen
13,51 sec Vanessa Hammerschmidt 1998 LG Nord Berlin

Statistik –  Das sagen die Zahlen

Das deutsche Top-Niveau: 100 Meter Hürden

Jahr 12,98 sec
(WM-Norm 2017)
Schnitt Top 3 Schnitt Top 5 Schnitt Top 10
2005 2 12,87 13,03 13,24
2006 1 13,04 13,15 13,31
2007 13,15 13,19 13,28
2008 1 12,98 13,03 13,24
2009 1 12,97 13,10 13,36
2010 3 12,84 12,95 13,16
2011 1 13,07 13,14 13,31
2012 3 12,86 12,99 13,16
2013 1 13,09 13,22 13,38
2014 4 12,79 12,91 13,16
2015 1 12,95 13,09 13,29
2016 3 12,70 12,83 13,06
2017 5 12,77 12,84 13,09
2018 5 12,78 12,85 13,07
2019 2 12,95 13,08 13,25

Jahresbestleistungen im internationalen Vergleich

Jahr Deutschland Europa Diff. Welt Diff.
2005 12,59 (K. Bolm) 12,59 (Bolm/GER) 0,00 12,43 (Perry/USA) 0,16
2006 12,65 (K. Bolm) 12,52 (Kallur/SWE) 0,13 12,43 (Perry/USA) 0,22
2007 13,14 (A. Funck) 12,49 (Kallur/SWE) 0,65 12,44 (Perry/USA) 0,70
2008 12,82 (C. Nytra) 12,50 (Onyia/ESP) 0,32 12,43 (Jones/USA) 0,39
2009 12,78 (C. Nytra) 12,67 (O'Rourke/IRL) 0,11 12,46 (Foster-H./JAM) 0,32
2010 12,57 (C. Nytra) 12,57 (Nytra/GER) 0,00 12,52 (Lopes-Schl./CAN) 0,05
2011 12,91 (C. Roleder) 12,56 (Porter/GBR) 0,35 12,28 (Pearson/AUS) 0,63
2012 12,74 (C. Nytra) 12,54 (Ennis/GBR) 0,20 12,35 (Pearson/AUS) 0,39
2013 12,85 (N. Hildebrand) 12,55 (Porter/GBR) 0,30 12,26 (Rollins/USA) 0,59
2014 12,71 (N. Hildebrand) 12,51 (Porter/GBR) 0,20 12,44 (Harper Nelson/USA) 0,27
2015 12,59 (C. Roleder) 12,56 (Porter/GBR) 0,03 12,34 (Nelvis/USA) 0,25
2016 12,62 (C. Roleder) 12,62 (Roleder/GER) 0,00 12,20 (Harrison/USA) 0,42
2017 12,61 (P. Dutkiewicz) 12,61 (Dutkiewicz/GER) 0,00 12,28 (Harrison/USA) 0,33
2018 12,67 (P. Dutkiewicz) 12,41 (Talay/BLR) 0,26 12,36 (Harrison/USA) 0,31
2019 12,76 (C. Roleder) 12,62 (Visser/NED) 0,14 12,32 (Williams/JAM) 0,44


Das fällt auf:

  • Nach drei ausgesprochen starken Jahren im Hürdensprint der Frauen waren die Leistungen 2019 etwas schwächer. Erstmals seit 2015 liegt der Schnitt der Top Fünf wieder bei über 13 Sekunden. Vor allem der Ausfall von Pamela Dutkiewicz, die aus gesundheitlichen Gründen ihre Saison vorzeitig beenden musste, machte sich bemerkbar. Mit EM-Finalistin Ricarda Lobe konnte eine Leistungsträgerin vergangener Jahre in dieser Saison verletzungsbedingt ihr Potenzial nicht abrufen. Nadine Hildebrand, jahrelang fester Bestandteil der deutschen Spitze, hat ihre Karriere beendet.
  • Nachdem die deutsche Jahresbestenliste zwei Jahre lang von Pamela Dutkiewicz angeführt wurde, hat Cindy Roleder 2019 die deutsche Spitze zurückerobert. Ihre beiden schnellsten Saisonzeiten lief sie wie so oft beim Höhepunkt, bei den Weltmeisterschaften in Doha. Für den Finaleinzug reichte das dennoch nicht. Nach WM-Medaillen 2015 (Silber durch Roleder) und 2017 (Bronze durch Dutkiewicz) ging der DLV diesmal leer aus.
  • Mit ihrer Silbermedaille bei den Hallen-Europameisterschaften hat Cindy Roleder bereits das sechste Jahr in Folge eine internationale Medaille gewonnen. Gold und Silber bei Hallen-Europameisterschaften, Gold und zweimal Bronze bei der EM im Freien sowie die Silbermedaille bei der WM 2015 hat die 30-Jährige bereits errungen.
  • Einige junge Athletinnen konnten in der Saison auf sich aufmerksam machen. Die knapp 20-jährige Neele Schuten glänzte mit Platz zwei bei den Deutschen Meisterschaften hinter Cindy Roleder. U18-Athletin Gesa Tiede (USC Mainz) erreichte das Finale bei den U20-Europameisterschaften. Franziska Schuster (TuS Xanten) durfte sich über Silber beim Europäischen Olympischen Jugendfestival freuen.
  • Die neue europäische Spitzenläuferin heißt Nadine Visser (Niederlande). Die frühere Mehrkämpferin sicherte sich nicht nur Hallen-EM-Gold, sondern schaffte es auch als einzige Europäerin in das WM-Finale. Ihr im Halbfinale erzielter Landesrekord von 12,62 Sekunden ist europäische Jahresbestleistung.
  • Die Weltjahresbestenliste wird in diesem Jahr erstmals seit 2012 nicht von einer Amerikanerin angeführt, sondern von Danielle Williams aus Jamaika. Bei den Weltmeisterschaften sorgten Nia Ali und Kendra Harrison dann jedoch für einen amerikanischen Doppelsieg, nachdem die US-Girls in den Jahren 2015 und 2017 gerade mal eine Silbermedaille erringen konnten.

Die Disziplin-Analysen im Überblick:

Sprint Männer
Sprint Frauen
Langsprint Männer
Langsprint Frauen
Mittelstrecke Männer
Mittelstrecke Frauen
Langstrecke Männer
Langstrecke Frauen
Hürdensprint Männer

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