| Analyse

Der große Disziplin-Check 2019 – Hochsprung Frauen

Die Wettkampfsaison 2019 ist Geschichte. Ein langes Jahr, ein spannendes Jahr Leichtathletik liegt hinter uns. Der Höhepunkt? Zweifelsohne die WM in Doha. Doch auch in der Halle und bei den internationalen Nachwuchs-Meisterschaften machten die deutschen Athleten von sich reden. Wir blicken in unseren jährlichen Disziplinanalysen zurück und ziehen Bilanz. Heute: der Hochsprung der Frauen.
Silke Bernhart

Tamas Kiss, wie fällt Ihre Bilanz für das WM-Jahr 2019 aus?

Tamas Kiss:

Es war erfreulich, dass wir mit Imke Onnen und Christina Honsel zwei Athletinnen bei der WM am Start hatten. Imke hat dort sehr gut abgeschnitten, besonders in der Qualifikation hat sie eine tolle Leistung gezeigt. Für Christina war die Teilnahme ein Erfolg, sie ist kurzfristig eingeladen worden und konnte bei einer WM hineinschnuppern und für die Zukunft Erfahrungen sammeln. Negativ war natürlich, dass Marie-Laurence Jungfleisch ihre Teilnahme aufgrund einer Verletzung absagen musste. Sie war vorher sehr gut drauf, auch sie wäre eine Final-Kandidatin gewesen. Unter dem Strich kann man mit der Bilanz an der Spitze recht zufrieden sein.

Den weiteren U23-Athletinnen der Jahrgänge 1997 und 1998 hätte ich etwas mehr zugetraut, ich hatte gehofft, dass sie sich schneller bei den Aktiven durchsetzen können. Das hat aus unterschiedlichen Gründen nicht geklappt, einige haben aufgehört, die Leistung hat stagniert oder sich sogar zurück entwickelt. Ich werde sie dennoch nicht abschreiben, im Hochsprung ist das nicht ungewöhnlich und hängt auch immer eng mit der körperlichen Entwicklung zusammen.

Was war für Sie das ganz persönliche Highlight?

Tamas Kiss:

Da möchte ich zwei Dinge nennen: Zum einen die Leistung von Imke Onnen in der Hallensaison mit ihren 1,96 Meter bei der Hallen-DM, und auch die Stabilität auf hohem Niveau in den Freiluft-Wettkämpfen. Zum anderen die Steigerung von Christina Honsel, die sich schon im Winter mit 1,90 Meter angedeutet hat und die sie im Sommer mit 1,92 Meter und Silber bei der U23-EM fortsetzen konnte.

Worin sehen Sie die Aufgaben und Ziele für die kommende Saison mit den Olympischen Spielen in Tokio und der EM in Paris?

Tamas Kiss:

2020 ist ein sehr wichtiges Jahr für uns. Ich hoffe, der Aufstieg von Imke Onnen geht weiter und sie kann sich in Richtung 2,00 Meter entwickeln. Ähnliches erwarte ich von Marie-Laurence Jungfleisch, sobald sie wieder ganz gesund ist. Es wäre gigantisch, wenn wir bei den Olympischen Spielen mit drei Athletinnen dabei sein könnten, von denen mindestens zwei sich auch Final-Hoffnungen machen können. Von einer Medaille möchte ich noch gar nicht sprechen, aber wenn man möglichst lange mit einer weißen Weste mit dabei ist, dann ist vieles möglich.

Die hoffnungsvollen Nachwuchs-Athletinnen wollen wir weiter entwickeln. Hier denke ich zum Beispiel an Bianca Stichling, die sich in diesem Jahr unglücklich verletzt hat, aber sehr talentiert und zuverlässig ist. Oder an Lavinja Jürgens, die schon seit mehreren Jahren in den Nachwuchsklassen international erfolgreich mit dabei war. Sie rücken beide nächstes Jahr in die Aktivenklasse auf.

Internationale Erfolge 2019

  Medaillen (Weitere) Final-Platzierungen
WM  – 9. Imke Onnen
Hallen-EM  – 7. Imke Onnen
U23-EM Silber: Christina Honsel  –
U20-EM  – 4. Lavinja Jürgens
EYOF  – 10. Luisa Tremel

Die deutschen Top Ten 2019

Höhe Name Jahrgang Verein
1,96 m Marie- Laurence Jungfleisch 1990 VfB Stuttgart
1,94 m Imke Onnen 1994 Hannover 96
1,92 m Christina Honsel 1997 LG Olympia Dortmund
1,88 m Jossie Graumann 1994 LG Nord Berlin
1,84 m Alexandra Plaza 1994 LT DSHS Köln
1,84 m Leonie Reuter 1998 LG Nord Berlin
1,84 m Lavinja Jürgens 2000 TSV Kranzegg
1,82 m Maike Schuster 2003 LAV Kassel
1,82 m Sophie Weißenberg 1997 SC Neubrandenburg
1,81 m Nicola Ader 1998 TG Rimbach
1,81 m Sabrina Gehrung 1997 LG Filder

Statistik – Das sagen die Zahlen

Das deutsche Top-Niveau

Jahr ≥ 1,94 (WM-Norm 2017 Schnitt Top 3 Schnitt Top 5 Schnitt Top 10
2005  – 1,90 1,89 1,86
2006  – 1,91 1,90 1,87
2007  – 1,91 1,89 1,86
2008 1 1,95 1,92 1,89
2009 1 1,97 1,94 1,90
2010 1 1,93 1,91 1,87
2011  – 1,89 1,87 1,86
2012 1 1,92 1,90 1,87
2013 1 1,91 1,90 1,86
2014 1 1,90 1,87 1,85*
2015 1 1,93 1,90 1,87*
2016 1 1,92 1,90 1,87*
2017 1 1,93 1,90 1,86*
2018 1 1,93 1,90 1,87*
2019 2 1,94 1,89 1,84

*nur international für Deutschland startende Athletinnen

Jahresbestleistungen im internationalen Vergleich

Jahr Deutschland Europa Diff. Welt Diff.
2005 1,90 (D. Rath; A. Friedrich; B. Kähler) 2,03 (Bergqvist/SWE) 0,13 2,03 (Bergqvist/SWE) 0,13
2006 1,91 (M. Skotnik; J. Hartmann; A. Friedrich) 2,06 (Bergqvist/SWE) 0,15 2,06 (Bergqvist/SWE) 0,15
2007 1,94 (A. Friedrich) 2,07 (Vlasic/CRO) 0,13 2,07 (Vlasic/CRO) 0,13
2008 2,03 (A. Friedrich) 2,06 (Vlasic/CRO) 0,03 2,06 (Vlasic/CRO) 0,03
2009 2,06 (A. Friedrich) 2,08 (Vlasic/CRO) 0,02 2,08 (Vlasic/CRO) 0,02
2010 2,02 (A. Friedrich) 2,05 (Vlasic/CRO) 0,03 2,05 (Vlasic/CRO; Howard Lowe/USA) 0,03
2011 1,93 (M.- L. Jungfleisch) 2,07 (Chicherova/RUS) 0,14 2,07 (Chicherova/RUS) 0,14
2012 1,95 (M.- L. Jungfleisch) 2,05 (Chicherova/RUS) 0,10 2,05 (Chicherova/RUS) 0,10
2013 1,95 (M.- L. Jungfleisch) 2,03 (Shkolina/RUS) 0,09 2,04 (Barrett/USA) 0,10
2014 1,97 (M.- L. Jungfleisch) 2,01 (Chicherova/RUS; Beitia/ESP) 0,04 2,01 (Chicherova/RUS; Beitia/ESP) 0,04
2015 1,99 (M.- L. Jungfleisch) 2,03 (Chicherova/RUS) 0,04 2,03 (Chicherova/RUS) 0,04
2016 2,00 (M.- L. Jungfleisch) 2,00 (M.-L. Jungfleisch) 0,00 2,01 (Lowe/USA) 0,01
2017 2,00 (M.- L. Jungfleisch) 2,06 (Lasitskene/ANA) 0,06 2,06 (Lasitskene/ANA) 0,06
2018 1,96 (M.- L. Jungfleisch) 2,04 (Lasitskene/ANA) 0,08 2,04 (Lasitskene/ANA) 0,08
2019 1,96 (M.- L. Jungfleisch) 2,06 (Lasitskene/ANA) 0,10 2,06 (Lasitskene/ANA) 0,10

Das fällt auf:

  • An der Spitze tut sich was: Nachdem Marie-Laurence Jungfleisch mehrere Jahre in Deutschland unangefochten war, hat sich mit Imke Onnen eine weitere deutsche Athletin in die Weltspitze nach vorne gekämpft. Ihr gesteigertes Niveau konnte sie auch in Drucksituationen abrufen. Der Lohn: zwei internationale Top-Platzierungen.
  • Frischen Wind in die Hochsprung-Szene bringt Christina Honsel, die mit Silber bei der U23-EM und einer Steigerung ihrer Freiluft-Bestleistung um elf (!) Zentimeter überraschte.
  • Das deutsche Top-Trio ist auf international konkurrenzfähigem Niveau unterwegs, der deutsche Top-Drei-Schnitt der stärkste seit 2009. Dahinter klafft jedoch eine recht große Lücke, die die nach Verletzungen wieder genesene 1,92 Meter-Springerin Jossie Graumann schließen wollte – bis ihr im Juni die Achillessehne riss.
  • Wieder einmal das Maß aller Dinge war 2019 die unter neutraler Flagge startende Russin Mariya Lasitskene. Sie führt zum dritten Mal in Folge die Jahresbestenliste an und holte sich auch den dritten WM-Titel in Folge.
  • Allerdings könnte dieses Solo bald zu einem Duell werden, das sich schon in Doha andeutete: Mit neuem U20-Weltrekord von 2,04 Meter forderte die gerade erst 18 gewordene Ukrainerin Yaroslava Mahuchikh die Seriensiegerin heraus und holte Silber.
  • Dahinter ist die Weltspitze weiter eng beisammen: Acht Athletinnen tummelten sich 2019 im Bereich zwischen 1,97 und 2,02 Meter, darunter auch Siebenkampf-Olympiasiegerin Nafissatou Thiam (Belgien; 2,02 m). Höhen, die in Topform auch Marie-Laurence Jungfleisch sowie vielleicht schon bald Imke Onnen zuzutrauen sind. Damit ist im Olympia- und EM-Jahr 2020 vieles möglich.

Die Disziplin-Analysen im Überblick:

Sprint Männer
Sprint Frauen
Langsprint Männer
Langsprint Frauen
Mittelstrecke Männer
Mittelstrecke Frauen
Langstrecke Männer
Langstrecke Frauen
Hürdensprint Männer
Hürdensprint Frauen
Langhürden Männer
Langhürden Frauen
Hindernislauf Männer
Hindernislauf Frauen
Gehen Männer
Gehen Frauen
Hochsprung Männer

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