| Disziplin-Check 2020

MARATHON/STRASSE MÄNNER | Deutschlands Top-Läufer um Amanal Petros so stark wie selten zuvor

Abgebrochene Trainingslager, phasenweise sportlicher Stillstand, die Olympia-Absage, eine zaghafte Rückkehr ins Training, erste Wettkämpfe und dann doch noch eine Late Season mit einigen bemerkenswerten Leistungen: Die Saison 2020 im Jahr der Corona-Pandemie war eine ganz besondere, die allen Beteiligten viel abverlangt hat. Wir blicken mit den Disziplinverantwortlichen im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) zurück auf die vergangenen Monate, ziehen Bilanz und wagen einen Ausblick auf die Olympia-Saison 2021. Heute: Marathon/Straße der Männer.
Nicolas Walter

Fazit der Bundestrainerin

Katrin Dörre-Heinig, wie haben Sie persönlich das Corona-Jahr 2020 als Bundestrainerin und als Heimtrainerin zahlreicher Topathleten erlebt?

Katrin Dörre-Heinig:

Wir konnten optimistisch mit schon zwei erfüllten Olympianormen in dieses Jahr starten. Die ersten Unsicherheiten begannen Ende Februar/ Anfang März. Die meisten Marathonis befanden sich in der Vorbereitung auf einen Frühjahrsmarathon, der ihnen noch die Chance für eine Olympiateilnahme ermöglichen sollte. Leider wurden dann sämtliche Straßenläufe abgesagt. Als schließlich auch die Olympischen Spiele und die EM gecancelt wurden, gab es auf einmal eine Leere und die Athleten fielen in ein großes Motivationsloch. In dieser Situation konnte es nur individuelle Lösungen geben.

Was waren in diesem Jahr die größten Herausforderungen für Sie und die deutschen Marathon- und Straßenläufer?

Katrin Dörre-Heinig:

Das größte Problem war die Unsicherheit. Da auch in unseren Bereich sämtliche Deutsche Straßenlaufmeisterschaften gestrichen wurden, musste schnellstens eine Neuorientierung passieren, um neue Motivation zu schaffen. Zum Glück gab es ein paar Läufe, die durch German Road Races und dem Management ISS unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen ins Leben gerufen wurden. Dazu gab es weitere Hoffnung durch die Durchführung der Halbmarathon-WM in Gdynia, die dann auch der einzige internationale Höhepunkt für uns Marathonläufer war.

Welche Athleten haben sich im Jahr 2020 trotz der veränderten Rahmenbedingungen am positivsten entwickelt?

Katrin Dörre-Heinig:

Hervorzuheben ist auch hier die Halbmarathon-WM in Gdynia. Hier konnte Simon Boch mit 61:36 Minuten überzeugen. Des Weiteren hatten einige Athleten die Möglichkeit in Valencia einen Marathon zu laufen. Diese Chance nutzte vor allem Amanal Petros, der mit 2:07:18 Stunden überzeugte und damit den deutschen Rekord deutlich pulverisierte. Ebenso überzeugen konnten in diesem Lauf Richard Ringer, der bei seinem Marathondebüt mit 2:10:59 Stunden die Olympianorm erfüllte und Philipp Pflieger, der mit 2:12:15 Stunden eine neue persönliche Bestzeit lief.

Wie wollen und können Sie die Kader-Arbeit in Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in den kommenden Monaten gestalten?

Katrin Dörre-Heinig:

Unsere Athleten mit Olympiaambitionen werden einen individuellen Belastungsaufbau bestreiten. Dabei stehen Hypoxie- und Klimatraining im Vordergrund. Mit Abschluss der Qualifikation werden die nominierten Läufer eine unmittelbare Wettkampfvorbereitung absolvieren.

Welche Präsenz und Leistung erhoffen Sie sich bei den Olympischen Spielen von den deutschen Marathon- und Straßenläufern?

Katrin Dörre-Heinig:

Das derzeitige vorhandene Leistungsniveau unserer Marathonis ermöglicht eine Top 16 Plazierung bei den Olympischen Spielen in Sapporo.

Mit welchen Hoffnungen und Erwartungen blicken Sie aufs Leichtathletik-Jahr 2021?

Katrin Dörre-Heinig:

Ich hoffe und wünsche mir am meisten das Ende der Pandemie, damit die Athleten eine optimale Vorbereitung auf die Olympischen Spiele bestreiten können. Für alle anderen wünsche ich mir ein großes Angebot an Marathon- und Straßenläufen auf nationaler und internationaler Ebene für ihre eigene individuelle sportliche Entwicklung.

Unser "Ass des Jahres"

Amanal Petros (TV Wattenscheid 01)

Neuer Deutscher Rekordhalter im Marathon

Unser "Talent des Jahres"

Simon Boch (LG Telis Finanz Regensburg)

Jahresschnellster im Halbmarathon

Die deutschen Top Ten 2020

Halbmarathon

Zeit Name Jahrgang Verein
1:01:36 h Simon Boch 1994 LG Telis Finanz Regensburg
1:02:17 h Amanal Petros 1995 TV Wattenscheid 01
1:02:26 h Richard Ringer 1989 LC Rehlingen
1:02:32 h Aaron Bienenfeld 1997 SSC Hanau-Rodenbach
1:02:33 h Samuel Fitwi 1996 LG Vulkaneifel
1:02:49 h Philipp Pflieger 1987 Lauf Team Haspa Marathon Hamburg
1:03:18 h Tobias Blum 1995 LC Rehlingen
1:03:25 h Arne Gabius 1981 TherapieReha Bottwartal
1:03:27 h Konstantin Wedel 1993 LG Telis Finanz Regensburg
1:03:28 h Simon Stützel 1986 LG Region Karlsruhe

Marathon

Zeit Name Jahrgang Verein
2:07:18 h Amanal Petros 1995 TV Wattenscheid 01
2:10:18 h Hendrik Pfeiffer 1993 TV Wattenscheid 01
2:10:59 h Richard Ringer 1989 LC Rehlingen
2:12:15 h Philipp Pflieger 1987 Lauf Team Haspa Marathon Hamburg
2:14:25 h Arne Gabius 1981 TherapieReha Bottwartal
2:14:38 h Johannes Motschmann 1994 SCC Events Pro Team
2:18:53 h Alexander Hirschhäuser 1992 ASC 1990 Breidenbach
2:23:06 h David Schönherr 1989 LSF Münster
2:23:40 h Niels Michalk 1987 LG Nord Berlin
2:24:39 h Dominik Fabianowski 1989 ASV Köln

Statistik – Das sagen die Zahlen

Das deutsche Top-Niveau im Marathon

Jahr ≥ 2:13 h* Schnitt Top 3 Schnitt Top 5 Schnitt Top 10
2005  – 2:20:16 2:21:43 2:24:33
2006  – 2:16:39 2:18:40 2:21:43
2007  – 2:16:15 2:17:11 2:19:44
2008  – 2:14:06 2:15:16 2:17:48
2009  – 2:14:40 2:15:55 2:17:52
2010  – 2:19:08 2:20:08 2:22:06
2011  – 2:17:29 2:18:07 2:19:37
2012  – 2:14:35 2:15:50 2:18:12
2013  – 2:14:13 2:15:27 2:18:11
2014 1 2:12:37 2:14:38 2:17:48
2015 1 2:10:47 2:13:50 2:16:40
2016  – 2:15:07 2:16:44 2:18:53
2017 1 2:13:14 2:15:39 2:16:52
2018 1 2:13:35 2:14:26 2:15:50
2019 2 2:12:25 2:13:29 2:15:33
2020 4 2:09:31 2:11:03 2:16:01

Jahresbestleistungen im internationalen Vergleich im Marathon

Jahr Deutschland Europa Diff. Welt Diff.
2005 2:18:43 (U. Steidl) 2:07:38 (Rey/ESP) 11:05 2:06:20 (Gebrselassie/ETH) 12:23
2006 2:16:02 (U. Steidl 2:06:52 (Rey/ESP) 9:10 2:05:56 (Gebrselassie/ETH) 10:06
2007 2:15:22 (M. Beckmann) 2:07:33 (Kuzin/UKR) 7:49 2:04:26 (Gebrselassie/ETH) 10:56
2008 2:13:30 (F. Cierpinski) 2:07:33 (Röthlin/SUI) 5:57 2:03:59 (Gebrselassie/ETH) 9:31
2009 2:13:09 (A. Pollmächer 2:09:53 (Pertile/ITA) 3:16 2:04:27 (Kibet/KEN) 8:42
2010 2:17:18 (F. Cierpinski) 2:08:32 (Musinschi/MDA) 8:46 2:04:48 (Makau/KEN) 12:30
2011 2:15:40 (J. Fitschen) 2:09:26 (Sitkovskyy) 6:14 2:03:38 (Makau/KEN) 12:02
2012 2:13:10 (J. Fitschen) 2:07:30 (Tambwé/FRA) 5:40 2:04:16 (Mutai/KEN) 8:55
2013 2:13:05 (A. Pollmächer) 2:08:33 (A. Kiprotich/FRA) 4:32 2:03:23 (Kipsang/KEN) 9:42
2014 2:09:32 (A. Gabius) 2:08:21 (Farah/GBR) 1:11 2:02:57 (Kimetto / KEN) 7:35
2015 2:08:33 (A. Gabius) 2:08:33 (Gabius/GER) 0:00 2:04:00 (Kipchoge / KEN) 4:33
2016 2:13:09 (H. Pfeiffer) 2:06:10 (Özbilen/TUR) 6:49 2:03:03 (Bekele/ETH) 10:06
2017 2:09:59 (A. Gabius) 2:08:16 (Nageeye/ NED) 1:43 2:03:32 (Kipchoge/KEN) 6:27
2018 2:11:45 (A. Gabius) 2:05:11 (Farah/GBR) 6:34 2:01:39 (Kipchoge/KEN) 10:06
2019 2:10:29 (A. Petros) 2:04:16 (Özbilen/TUR) 6:13 2:01:41 (Bekele/ETH) 8:48
2020 2:07:18 (A. Petros) 2:04:49 (Abdi/BEL) 2:29 2:03:00 (Chebet/KEN) 4:18

Das fällt auf:

  • Die deutschen Marathon- und Straßenläufer mussten den Großteil des Jahres wegen der Corona-Pandemie auf Wettkämpfe verzichten. Erst gegen Ende des Jahres gab es mit der Halbmarathon-WM in Gdynia (Polen) und dem Valencia-Marathon (Spanien) wieder größere Lauf-Veranstaltungen.
  • Überragender Läufer des Jahres war Amanal Petros (TV Wattenscheid 01), der in Valencia in 2:07:18 einen neuen deutschen Rekord im Marathon aufstellte. In der europäischen Jahresbestenliste bedeutet das Rang fünf.
  • Noch nie war der beste deutsche Marathon-Läufer eines Jahres so nah dran an der europäischen (2:29 min) und weltweiten Spitze (4:18 min). 
  • Generell präsentierten sich die deutschen Marathon- und Straßenläufer 2020 in äußerst starker Form. Noch nie seit Einführung der Disziplin-Checks auf leichtathletik.de waren die Durchschnittswerte der Top drei und Top fünf im Marathon so gut wie in diesem Jahr. Auch im Top ten-Wert und damit in der Breite erzielten die deutschen Marathon-Läufer im Vergleich zu den Vorjahren eine gute Leistung.
  • Richard Ringer (LC Rehlingen) erfüllte in Valencia in 2:10:59 Stunden bereits bei seinem Marathondebüt die Olympianorm.
  • Simon Boch (LG Telis Finanz Regensburg) überzeugte bei der Halbmarathon-WM in Gydnia mit der sechstschnellsten jemals gelaufenen Zeit eines Deutschen (1:01:36 h) über diese Strecke. In der europäischen Jahresbestenliste bedeutet das den 22. Rang.

Die Disziplin-Analysen im Überblick:

Sprint Frauen
Sprint Männer
Langsprint Frauen
Langsprint Männer
Mittelstrecke Frauen
Mittelstrecke Männer
Langstrecke Frauen
Langstrecke Männer
Hürdensprint Frauen
Hürdensprint Männer
Langhürden Frauen
Langhürden Männer
Hindernis Frauen
Hindernis Männer
Hochsprung Frauen
Stabhochsprung Frauen
Stabhochsprung Männer
Weitsprung Frauen
Weitsprung Männer
Dreisprung Frauen
Dreisprung Männer
Speerwurf Frauen
Speerwurf Männer
Siebenkampf Frauen
Zehnkampf Männer
Marathon/Straße Frauen

* als Referenzwert dient die WM-Norm des Jahres 2017

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024