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SPEERWURF MÄNNER | Johannes Vetter zwischen Triumph und Tragik

Deutschlands Leichtathleten sprinten, laufen, gehen, springen, werfen und stoßen wieder! Leider 2021 aufgrund der fortwährenden Corona-Pandemie oft noch ohne Zuschauer. Aber auf der Ebene des Kader- und Leistungssports schon wieder mit fast allen hochkarätigen Wettkämpfen. Und schließlich auch mit den Olympischen Spielen in Tokio, die unter ganz besonderen Bedingungen stattfanden. Wir blicken zurück und ordnen, jeweils eingeleitet durch Interviews mit den Leitenden Bundestrainerinnen und Bundestrainern der Disziplingruppen, die Leistungen ein. Heute: Speerwurf der Männer.
Svenja Sapper

INTERVIEW MIT DEM LEITENDEN BUNDESTRAINER SVEN LANG

Das ist 2021 passiert

91,50 Meter auf seiner Heimanlage in Offenburg Ende April. Ebenfalls mehr als 91 Meter beim Werfer-Cup in Split (Kroatien) im Mai. Eine Rakete auf 96,29 Meter – der drittweiteste Wurf, der je gemessen wurde – bei der Team-EM in Chorzów (Polen) am letzten Maiwochenende. Das Diamond-League-Finale in Zürich (Schweiz) und zum Saisonabschluss das ISTAF in Berlin: Die Liste der Siege von Johannes Vetter (LG Offenburg) ist lang. In sieben Wettkämpfen nacheinander feuerte er Würfe auf 90 Meter und mehr ab. 15-mal trug er sich als Sieger in die Ergebnislisten ein.

Lediglich zweimal musste sich der Weltjahresbeste geschlagen geben: Einmal Ende August beim Diamond-League-Meeting in Paris (Frankreich), als Vetter zwar die Tagesbestweite erzielte, aber in der Runde der "Final Three" Weltmeister Anderson Peters (Grenada) unterlag. Das andere Mal ausgerechnet bei den Olympischen Spielen in Tokio (Japan): Der haushohe Favorit kämpfte – wie einige seiner Konkurrenten – mit der weichen Anlaufbahn und rutschte immer wieder mit dem Stemmbein ab. "Die Anlage kann man nach dem Wettkampf in die Tonne kloppen. Es ist gefährlich, es ist nicht gesund", sagte Johannes Vetter, nachdem er als Neunter den Endkampf verpasst hatte.

Beinahe wäre im Olympiastadion von Tokio ein anderer deutscher Speerwerfer in die Bresche gesprungen: Mit 14 Zentimetern Rückstand auf Bronze schrammte Julian Weber hauchdünn an der ersehnten Medaille vorbei. Für den Mainzer, der in den vergangenen Jahren häufig mit Verletzungen gekämpft hatte, wurde 2021 zum erfolgreichsten Jahr seiner Karriere. In Abwesenheit des leicht angeschlagenen Johannes Vetter sicherte er sich in Braunschweig seinen ersten deutschen Meistertitel. Und im Diamond-League-Finale belegte er mit dem viertbesten Wurf seiner Karriere – und seinem weitesten seit 2016 – Rang zwei hinter seinem Nationalmannschafts-Kollegen.

Dritter im Bunde der deutschen Olympia-Fahrer: Bernhard Seifert. Der Deutsche Vizemeister, der gemeinsam mit Julian Weber in Potsdam von Burkhard Looks betreut wird, kam in Tokio jedoch in der Qualifikation gar nicht zurecht und schied aus. Thomas Röhler (LC Jena), Olympiasieger von 2016 und amtierender Europameister, meldete sich bei den Deutschen Meisterschaften verletzungsbedingt nach einem Wurf wieder ab. Auch Vize-Europameister Andreas Hofmann (MTG Mannheim) konnte nach einer Ellenbogen-OP im vergangenen Jahr noch nicht wieder an alte Stärke anknüpfen.

Ohne internationale Endkampfplatzierungen blieben in diesem Jahr die Junioren. Sowohl Thomas Röhlers Trainingspartner Maurice Voigt (LG Ohra Energie) bei der U23-EM als auch die drei U20-EM-Starter Max Dehning (LG Celle-Land), Moritz Morstein (SC Magdeburg) und Eric Frank (1. LAV Rostock) kamen in Tallinn (Estland) nicht über die Qualifikation hinaus. Aufhorchen ließ dennoch einer von ihnen: Im September flog der 700-Gramm-Speer von Max Dehning, der noch der U18 angehört, in Jena auf 80,11 Meter. Eine bessere Weite hat mit dem Wurfgerät, das die U18-Junioren verwenden, in Deutschland bisher nur der heutige Zehnkampf-Weltmeister Niklas Kaul (USC Mainz; 83,94 m) im Jahr 2015 erzielt.

Internationale Erfolge

  Medaille Finalplatzierung
U20-EM –  – 
U23-EM –  – 
Olympische Spiele –  4. Platz: Julian Weber (USC Mainz), 9. Platz: Johannes Vetter (LG Offenburg)

Unser "Ass des Jahres"

Johannes Vetter (LG Offenburg)
Weltjahresbester
Gesamtsieger der Diamond League
Sieben Wettkämpfe über 90 Meter

Unser "Talent des Jahres"

Max Dehning (LG Celle-Land)
Zweiter Platz in der U18-Weltjahresbestenliste
Zweiter Platz in der ewigen deutschen Bestenliste der U18
Teilnehmer der U20-EM

Die deutschen Top Ten 2021

Weite Athlet Jahrgang Verein
96,29 m Johannes Vetter 1993 LG Offenburg
87,03 m Julian Weber 1994 USC Mainz
81,28 m Bernhard Seifert 1993 SC Potsdam
78,26 m Andreas Hofmann 1991 MTG Mannheim
77,79 m Tom Meier 1997 LC Jena
76,65 m Maurice Voigt 2000 LG Ohra Energie
73,45 m Niklas Sagawe 2000 Polizei SV Eutin
72,19 m Linus Limmer 2000 LG Stadtwerke München
72,06 m Julian Fundel 2000 LG Eningen-Reutlingen
71,49 m Niklas Kaul 1998 USC Mainz

Statistik – Das sagen die Zahlen 

Das deutsche Top-Niveau: Speerwurf

Jahr < = 83,00* Schnitt Top 3 Schnitt Top 5 Schnitt Top 10
2005  3 83,72 82,73 79,71
2006  3 84,32 82,81 79,48
2007  - 82,49 81,61 80,05
2008  2 83,16 82,54 79,90
2009  2 82,87 81,58 79,67
2010  1 83,60 81,60 79,02
2011  2 85,09 82,82 79,94
2012  2 81,74 81,36 79,75
2013  2 83,52 82,55 80,45
2014  2 84,83 82,91 78,89
2015  4 86,94 85,24 81,56
2016  4 89,71 88,07 82,22
2017  6 93,14 90,39 83,99
2018  5 92,18 89,67 82,33
2019  5 89,58 88,32 82,01
2020  2 86,00 81,15 76,25
2021  2 88,20 84,13 78,65

Entwicklung der internationalen Jahresbestleistungen

Jahr Deutschland Europa Diff. Welt Diff.
2005 84,88 (M. Frank) 91,53 (Pitkämäki/FIN) 6,65 91,53 (Pitkämäki/FIN) 6,65
2006 85,30 (P. Esenwein) 91,59 (Thorkildsen/NOR) 6,29 91,59 (Thorkildsen/NOR) 6,29
2007 82,78 (P. Esenwein) 91,23 (Pitkämäki/FIN) 8,45 91,29 (Greer/USA) 8,45
2008 83,50 (S. Steding) 90,57 (Thorkildsen/NOR) 7,07 90,57 (Thorkildsen/NOR) 7,07
2009 83,86 (M. Frank) 91,28 (Thorkildsen/NOR) 7,42 91,28 (Thorkildsen/NOR) 7,42
2010 87,81 (M. de Zordo) 90,37 (Thorkildsen/NOR) 2,56 90,37 (Thorkildsen/NOR) 2,56
2011 88,36 (M. de Zordo) 90,61 (Thorkildsen/NOR) 2,25 90,61 (Thorkildsen/NOR) 2,25
2012 82,10 (T. Häber) 88,34 (Vesely/CZE) 6,24 88,34 (Vesely/CZE) 6,24
2013 84,20 (L. Hamann) 89,03 (Pitkämäki/FIN) 4,83 89,03 (Pitkämäki/FIN) 4,83
2014 87,63 (T. Röhler) 88,01 (Ruuskanen/FIN) 0,38 89,21 (El Sayed/EGY) 1,58
2015 89,27 (T. Röhler) 89,27 (Röhler/GER) 0,00 92,72 (Yego/KEN) 3,45
2016 91,28 (T. Röhler) 91,28 (Röhler/GER) 0,00 91,28 (Röhler/GER) 0,00
2017 94,44 (J. Vetter) 94,44 (Vetter/GER) 0,00 94,44 (Vetter/GER) 0,00
2018 92,70 (J. Vetter) 92,70 (J. Vetter/GER) 0,00 92,70 (J. Vetter/GER) 0,00
2019 90,03 (J. Vetter) 90,61 (Kirt/EST) 0,58 90,61 (Kirt/EST) 0,58
2020 97,76 (J. Vetter) 97,76 (J. Vetter/GER) 0,00 97,76 (J. Vetter/GER) 0,00
2021 96,29 (J. Vetter) 96,29 (J. Vetter/GER) 0,00 96,29 (J. Vetter/GER) 0,00

Das fällt auf: 

  • Johannes Vetter steht erneut an der Spitze der Weltjahresbestenliste. Seit 2016 führte – bis auf das Jahr 2019, als der Este Magnus Kirt knapp vor den Deutschen lag – in jedem Jahr ein DLV-Athlet die Rangliste an. In Europa sind die Deutschen sogar seit 2015 das Maß der Dinge.
  • Zugleich ist der Weltmeister von 2017 der einzige Athlet, der 2021 die 90 Meter übertroffen hat. Zweiter in der Jahresweltbestenliste ist Marcin Krukowski (89,55 m), der bei den Olympischen Spielen mit ähnlichen Problemen kämpfte wie Johannes Vetter. Für den Polen endete Olympia bereits nach der Qualifikation.
  • Dank der starken Saison von Julian Weber sind die Werte der Top Drei, Fünf und Zehn in diesem Jahr um einiges besser als im Vorjahr. Aufgrund der Verletzungen von Thomas Röhler und Andreas Hofmann können die DLV-Speerwerfer jedoch nicht an das Niveau der Jahre 2016 bis 2018 anknüpfen, als bis zu drei Deutsche in einer Saison die 90 Meter übertrafen.
  • Der weiteste Wurf eines deutschen U20-Athleten kam mit 70,03 Metern von Moritz Morstein, der sich auch bei den Deutschen Jugendmeisterschaften in Rostock durchsetzte. Insgesamt fehlt den Nachwuchsathleten jedoch noch ein ganzes Stück bis zum Anschluss an die deutsche Spitze: Auch die Jüngsten in den Top Ten waren 2021 bereits 21 Jahre alt.
  • Mit dem leichteren Speer liegt Max Dehning auf Rang zwei der Welt in seiner Altersklasse. Aufgrund der Absage der U18-EM in Rieti (Italien) bekam er jedoch keine Chance, sich mit gleichaltrigen internationalen Konkurrenten zu messen, und musste gleich gegen die U20 ran.
  • Die nationale Top Ten beschließt als Zehnter Zehnkampf-Weltmeister Niklas Kaul mit seinem Speerwurf-Ergebnis bei seinem einzigen beendeten Zehnkampf in Götzis (Österreich).
  • Von den Problemen der Favoriten profitierte Neeraj Chopra: Er krönte sich in Tokio zu Indiens erstem Leichtathletik-Olympiasieger. Silber und Bronze gingen an die Tschechen Jakub Vadljech und Viteslav Vesely. Letzterer war mit 38 Jahren der diesjährige älteste Olympia-Medaillengewinner in der Leichtathletik.

leichtathletik.TV-Clips:

SPEERWURF

Die Disziplin-Analysen im Überblick:

Sprint Frauen
Sprint Männer
Langsprint Frauen
Langsprint Männer
Hürdensprint Frauen
Hürdensprint Männer
Langhürden Frauen
Langhürden Männer
Mittelstrecke Frauen
Langstrecke Frauen
Langstrecke Männer
Hindernis Frauen
Hindernis Männer
Gehen Frauen
Gehen Männer
Marathon/Straße folgt im Dezember
Hochsprung Frauen
Hochsprung Männer
Weitsprung Frauen
Dreisprung Frauen
Dreisprung Männer
Stabhochsprung Frauen
Stabhochsprung Männer
Kugelstoßen Frauen
Kugelstoßen Männer
Diskuswurf Frauen
Diskuswurf Männer
Hammerwurf Frauen
Hammerwurf Männer
Speerwurf Frauen

* als Referenzwert dient die WM-Norm des Jahres 2017

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